Trainer: Karl Schmid, Ernst Dubs
Torhüter: Burger Charles BTV Aarau
Verteidiger: Spiess Hans Grasshoppers, Hengartner Bruno TSV St. Otmar St. Gallen
Läufer: Altdorfer Max LC Zürich, Winkler Ernst Grasshoppers, Trachsel Hansueli BTV Aarau, Loretan Toni TV Oberseminar
Stürmer: Hüssy Hanswerner BTV Aarau, Aeschlimann Max TV Länggasse Bern, Riess Fritz Grasshoppers, Gemperle Hans St. Otmar, Liniger Max TV Oberseminar, Lehmann Heinz TV Oberseminar
Torschützen: Liniger 4, Lehmann 2, Gemperle 1
Wetter: 12°, bedeckt mit etwas Regen
wf. Derweil sich die 14 nominierten Spieler unter Leitung von Delegationschef Göpfi Egg und Oskar Stoll bzw. den beiden Selektionären Karl Schmid und Ernst Dubs am 10. Oktober auf dem direktesten Weg auf die 550 Kilometer Bahnfahrt Basel-Kassel begaben, fügten wir diesem «Riemen» noch einen Tour d'horizon dem Rhein entlang via Köln-Hannover bei. Vielleicht hat es diese Blitztour mit «auf dem Gewissen», dass ein wesentlicher Bestandteil unserer Eindrücke vom neunten Länderspiel gegen unsern nördlichen Nachbarn auf
beruht. Es fing schon mit dem Wetter an: Basel verliessen wir bei schönstem Sonnenschein; Köln empfing uns 6 Stunden später nach schneidiger Fahrt im «Rheingold» mit Regen, der auch die geplante samstägliche Besichtigung der Domstadt teilweise vereitelte. Neuerdings vertrauten wir uns der komfortablen DB an - diesmal stand der Komfort im «Sachsenross»-Dieselzug dem düstern Grau des Wetters gegenüber. Nach einem unfreiwilligen Halt in Hannover wurde am Sonntagmorgen im «Roland»-Express der Länderspielort erreicht. Und wieder ein Gegensatz: So schmuck und freundlich sich die nordhessische Stadt auf dem uns vorher zugekommenen Prospekt präsentierte, so «schitter» wurde nach dem Mittagessen das Wetter erneut - grau, unfreundlich, kaum zum Besuch eines Handballspiels einladend. Wir stiessen auf eine frohgemute Schweizerschar, die im Parkhotel «Hessenland» grossartig aufgehoben und - nach einem Training - am Samstagnachmittag zu einer Stadtrundfahrt und am Abend zu einem Hallenturnier sowie Theaterstück eingeladen worden war. Das also war die Situation, bevor die beiden Mannschaften um 14.15 Uhr im selben Autocar ins Aue-Stadion hinausfuhren - und wer wollte auch bestreiten, dass dann auch
ganz besonders grellen Gegensätzen unterworfen war – hier fast nur düstere Töne, dort helle, schillernde Farben? Sprechen wir zuerst von «aschgrau», so können damit natürlich nur unsere Schweizer gemeint sein. Wir dürfen dabei voraussetzen, dass die Situation, in der wir derzeit, neun Monate vor der Weltmeisterschaft, stecken, bekannt ist: Wir sind im Begriff, eine neue Nationalmannschaft zu formen und möglichst wieder auf jenen Stand zu bringen, der Anno 1955 die Silbermedaille erringen half. In dieses Programm gehörte nun auch das A-Spiel gegen Deutschland, das seine 1955er-Spieler ebenfalls gegen eine neue Generation «umgetauscht» hat, freilich mit ganz anderem Erfolg... Die beiden Techniker entschlossen sich für eine anfänglich defensive Konzeption, nachdem mit dem DHB vereinbart worden war, dass beidseits alle 14 aufgebotenen Spieler eingesetzt werden könnten. Unser Team begann also den Match hinten mit allen 6 Deckungsspielern, vorne standen Hüssy - Aeschlimann - Riess - Liniger. Gemperle war auf die 10. Minute einsatzbereit und Lehmann wollte man nach seinen schwachen Trainingsspielen nur im Notfall einsetzen. Sechs Minuten lang konnte unsere sofort klar dominierte Mannschaft den deutschen Ansturm auf 2:0 beschränken. Als kurz darauf Liniger den für ein Foul an Riess verhängten Penalty sicher zum 2:1 ins Netz jagte, schien die Rechnung aufzugehen, obschon unser Sturm nicht in Schwung kommen wollte... Rasch hiess es 5:1, worauf - nach 11 Minuten - auf Manndeckung umgestellt und Gemperle als fünfter Stürmer aufs Feld kam. Aber es besserte nicht und das sollte dann die Physiognomie des Spiels bleiben.
Über die eingeschlagene Taktik wird man streiten können. Karl Schmid und Ernst Dubs mussten dabei hoffen, dass die vier Stürmer der Spielanlage zum Erfolg verhelfen würden. Die 4 genannten Forwards, auch die später eingesetzten Gemperle und Lehmann nicht, kamen aber nie dazu, die schnellen Gegenstösse auszuführen. Es fehlten Kraft, Schnelligkeit und besonders augenfällig der Nachschub von hinten. Obwohl die Raum- wie nachher die Manndeckung relativ gut klappten, wagte man es hinten nicht, mit nach vorne zu kommen doch wären die schon auf der Mittellinie unsere Stürmer bewachenden Deutschen wohl nur so öfters zu bezwingen gewesen. Unter solchen Umständen erübrigt sich eine Einzelkritik von selbst - mit Ausnahme von Charly Burger kam keiner der 12 Feldspieler an die Wirkung der deutschen Akteure heran. Unserm Hüter allein ist es zu verdanken, dass die Niederlage kein grösseres Ausmass erhielt, obschon seine Aufgabe alles andere als beneidenswert war. Gut gefallen hat uns Hengartner, der Schwenker lange auf sein 100. Länderspieltor warten liess. Altorfer bestätigte, dass er in erster Linie ein offensiver Half - mit Deckungsschwächen - ist. Und vorne lieferte Gemperle (wie die andern Forwards auf sich allein angewiesen) die gleiche Bestätigung, dass er vor allem ein «Finisseur», kaum aber ein Konstrukteur ist. Dass ausser ihm nur noch Liniger - die positivste Erscheinung - und Lehmann zum Toreschiessen kamen, sagt wohl über die missliche Verfassung unseres vollkommen in der Luft hängenden Stürmchens genug, zumal man nicht einmal auf das gerne zitierte Pech (ein Lattenschuss Gemperles war alles) hinweisen kann. – Unsere Deckung hat mit 22 Toren. gewiss nicht schlecht abgeschnitten, der Sturm jedoch Gesamthaft hat die Darbietung unseres Teams einen kläglichen Eindruck hinterlassen - anders kann man es leider nicht ausdrücken...
und seine beiden Betreuer, Bundestrainer Vick und S. Perrey, waren mit dem sechsten Länderspiel dieses Jahres in defensiver und offensiver Hinsicht zufrieden. Wir sagten schon, dass die schnellen, wendigen und energisch zupackenden Deckungsspieler - mit Tiemann als Angelpunkt - sehr früh angriffen und damit sogar eine Art von Mittelfeldspiel herbeiführten. Das nahm unsern Forwards praktisch jede Abspielmöglichkeit und wir können unsern Leuten die Verzweiflung nachfühlen, wenn sie einfach keine Abspielmöglichkeiten besassen - jeder ihrer - (langsamen) Kameraden war gut bewacht! Das fürs Auge Schönste aber bot zweifellos der deutsche Sturm - es war ein Genuss diese Stürmer wie eine weisse Welle über das Feld jagen zu sehen! Blitzschnelle Ballwechsel (manchmal nur ein «Tippen» in der Luft), spektakuläre Fünferwechsel und eine variierte, grossartige Schiesskunst – gekrönt durch eine fast fünfzigprozentige Schussauswertung! - waren Dinge, die man leider bei uns nur dann sieht, wenn ab und zu ein – deutsches Team auf Besuch kommt! Sperren, Wechsel usw. gab es in diesem Match wirklich nur von den Weissen, von denen uns vorne vor allem Baronsky, aber auch Porzner und – vor allem nach seinem Jubiläumstor - Captain Hinni Schwenker gefielen. Wahrlich, die auf ganz andern Massstäben basierende Wachtablösung im DHB-Kader wird im rechten Moment wieder «da» sein ... Gegen einen solchen Gegner zu verlieren, ist keine Schande, nur hätten wir gewünscht, dass unsere Leute die vorhandenen Talente hätten wecken können. Doch der Schlaf war diesmal noch recht tief…
welches vom Jugoslawen Snoj gut geleitet war, fand im «Hessenland»-Hotel ein Empfang (Bankett) durch den Oberbürgermeister der Stadt Kassel statt. Unser Delegationschef erzählte uns, dass dies ein grossartiger Abschluss gewesen sei, mit herzlichen, kurzen und doch alles sagenden Ansprachen des Oberbürgermeisters Dr. Lauritzen, des DHB-Präsidenten Ernst Feick und - natürlich - Göpfi Eggs, mit Austausch von Geschenken. Unsere Spieler bekamen ein Foto von der nachmittäglichen Begrüssungszeremonie sowie einen Aschenbecher; der durch Präsident Feick und Geschäftsführer Wim Thoelke wie immer grosszügige Gastgeber DHB wurde durch eine Zinnkanne und die deutschen Spieler mit einem St. Galler Stofftüechli beschenkt.
Nachts um ein Uhr hiess es zum Bahnhof aufbrechen. Während die einen sofort ins Polster sanken, gab’s im Zürcher Coupé den obligaten Dauerjass. Der vorgesehene «Schlummerbecher» im Speisewagen dauerte dann 2 ½ Stunden und wer wissen will, wie es hier so gar nicht nach einer geschlagenen Mannschaft aussah oder gerne etwas von der akuten «Dichteritis» hören möchte, der wende sich an Reisemarschall Egg oder an «Major» Liniger… In Basel fand sich am Morgen «natürlich» Präsident Albert Wagner ein - wir glauben, dass er sich überzeugen konnte, dass man den Kopf nicht hängen lässt, sondern daran glaubt, dass es doch noch «obsi» gehen werde. Und, so glauben wir, das ist wohl das Beste, was man augenblicklich aus der drastisch ausgefallenen Kasseler «Standortbestimmung» herausholen kann…
Torfolge
2. Minute 1:0, 6. Minute 2:0, dann 2:1 (Penalty Linigers) und - beim Systemwechsel nach 11 Minuten - 5:1. Hierauf (24. Minute) 10:1 und 10:2 (Gemperle, Aufsetzer). Bei Halbzeit 13:2! lm zweiten Teil «führt» die Schweiz hach 6 Minuten «2:0» durch Tore von Lehmann (Pass Altorfers) und Liniger (ein «deutscher» Hocheckschuss). Hernach 14:4 = Schwenkers 100. Länderspieltor. In der 13. Minute 17:5 durch Liniger und 18:5, gleichbedeutend mit dem 1600. Länderspieltor Deutschlands (wieder Schwenker). Fünf Minuten vor Time sogar 22:5, hernach noch kleine Resultatverschönerung durch Liniger (Penalty) und Lehmann.
Die Torschützen
Baronsky 5, Stahler und Porzner je 4, Schwenker und Sass je 3, Tiemann, Barthels und Quirin für Deutschland; Liniger 4 (wovon 2 Penalties), Lehmann 2 und Gemperle für die Schweiz.
Penalties
Zwei für die Schweiz (beide verwandelt); einen für Deutschland, den Nolte aber von Burger grossartig gehalten sah.
Deutschland: Auris (Bayer Leverkusen); Schwope (VfLWolfsburg), Wagner (Hamborn) ; Ruff (Ludwigshafen), Tiemann (Leverkusen), Barthels (Witten); Baronsky (Wolfsburg), Sass (Büdelsdorf), Porzner (Ansbach), Schwenker (Habenhausen), Stahler (Hassloch), Quirin (St. Ingbert) und Nolte (Wolfsburg) wurden in der 2. Halbzeit zeitweise für Wagner bzw. Porzner eingesetzt. Den Mannschaftskapitän Lietz stellte man nicht auf, da er in Linz ein bisschen stark den Sieg gegen Osterreich gefeiert hatte...
Schweiz: Burger (Aarau); Spiess (Grasshoppers), Hengartner (St. Otmar); Altorfer (LC Zürich), Winkler (GC), TrachseI (Aarau) und Loretan (Oberseminar); Hüssy (Aarau), Aeschlimann (Länggasse), Riess (Grasshoppers), Gemperle (St. Otmar), Liniger und Lehmann (beide Oberseminar).
Kassel, 12. Oktober. Meine Schweizer Handballkameraden wollen es mir, bitte, nicht verübeln: die derbe Abfuhr, die die eidgenössische Nationalmannschaft in Kassel erlitten hat, darf im Interesse einer fortschrittlichen Entwicklung nicht «verniedlicht» werden! Die Vorstellung, die dieses Team gab, war jedenfalls die schwächste, die die Schweizer Internationalen in ihren Nachkriegs-Länderspielen mit dem «Lehrmeister» Deutschland gegeben haben. Abgesehen davon, dass, je länger das Spiel im Kasseler Aue-Stadion lief, den Deutschen sozusagen alles glückte und den braven Schweizern so gut wie fast nichts: der Unterschied in der mannschaftlichen Leistung war an diesem 12. Oktober 1958 so gross, dass die Differenz von 15 Toren absolut gerechtfertigt war trotz Charly Burgers unbestreitbarer Sonderklasse, die die Gäste vor einem noch böseren Debakel bewahrte…
In allen technischen und taktischen Belangen hatten die Gastgeber ein deutliches Plus: sie waren erheblich schneller, sie verfügten über die stärkere Wurfkraft, sie waren wesentlich zielsicherer im Schuss. Und sie hatten dazu in Werner Tiemann, Hinrich Schwenker, Erwin Porzner und Peter Baronsky einige Spieler-Persönlichkeiten in ihren Reihen, die - immer mit der «Ausnahme Burger» - auf Schweizer Seite eben fehlten. Leute wie der lange Klöty und der nicht weniger versierte Schwarz sind eben von heute auf morgen nicht zu ersetzen. Zudem war die Aufgabe, die der jungen eidgenössischen Elf gestellt war, einfach zu schwer und daher schlechterdings unlösbar für sie.
Zwei Tatsachen, die als unabänderlich hingenommen werden mussten und also schlussendlich ausschlaggebend für den eindeutigen deutschen Erfolg blieben, erwiesen sich sozusagen als «Sargnägel» für die Schweiz: weder vermochte deren Abwehr den gegnerischen Angriffswirbel entscheidend abzubremsen, noch kamen die eidgenössischen Stürmer mit der «Total-offensiven Manndeckung» der Hintermannschaft des Lehrmeisters zu Rande. Offensichtlich auch der Mangel an geistiger Wendigkeit bei den Männern im roten Maillot, die mit ihrem «Spiel der Individualisten» nicht zum Zuge kamen. Bei allem Verständnis für die Notwendigkeit, von Zeit zu Zeit die Nationalvertretung eines Landes zu verjüngen: ein paar «alte Hasen» sollten dabei auf ihren Posten belassen werden - als die bekannten «Korsettstangen», die dem Ganzen stets einen gewissen Halt verleihen! Solche «Gerüststützen» vermissten wir in Kassel bei unseren Schweizer Freunden völlig - und ihr Fehlen war wohl einer der Hauptgründe, dass die Geschichte so eindeutig schiefging…! Hans-Herbert Schoedel