Der Leistungssport im Schweizerischen Handball-Verband schaut auf ein bewegtes Jahr zurück: Zum ersten Mal in der Geschichte des Schweizer Handballs überhaupt qualifizierte sich die Frauen-Nationalmannschaft für eine EM-Endrunde. Die Männer unterlagen im WM-Playoff Portugal und in den U-Auswahlen tat sich einiges. Leistungssportchef Ingo Meckes schaut im Interview auf die vergangenen zwölf Monate zurück.
Ingo Meckes, thematisieren wir zuerst das absolute Highlight der vergangenen Saison. Am 6. März qualifizierte sich die Frauen-Nationalmannschaft mit einem Sieg über Litauen für die EM-Endrunde im November in Slowenien. Wie war dieser Erfolg möglich?
Ingo Meckes: Die Kampagne hatte mit einem guten Auftritt auswärts in Russland begonnen. Natürlich haben wir dann vom Ausschluss der Russinnen in unserer Qualifikationsgruppe profitiert. Herauszustreichen gilt es aber die beiden Siege gegen die Litauerinnen. Noch im November 2018 waren sie uns ebenbürtig – nun haben wir im Hin- und Rückspiel zwei klare Erfolge feiern können. Hier zeigt sich unsere Entwicklung in den letzten Jahren eindrücklich. Nun wollen wir die EM-Endrunde in Slowenien nutzen, um erste Erfahrungen an einem Grossanlass zu sammeln. So kann das junge Team noch schneller Fortschritte machen.
Die Frauen überzeugten auch auf Stufe Juniorinnen. An der U20-WM Ende Juni schaute der sensationelle 8. Abschlussrang heraus. Es war allerdings eine turbulente Kampagne …
Das Turnier war in der Tat von Hiobsbotschaften geprägt. Während der WM haben wir insgesamt neun Spielerinnen wegen einer Corona-Infektion verloren und mussten ständig neue Akteurinnen nachnominieren. Vor diesem Hintergrund ist der achte Abschlussrang eigentlich als Sensation einzuschätzen. Besonders freut mich, dass es dem Team gelungen ist, Entscheidungsspiele sowohl gegen Kroatien als auch gegen Angola zu gewinnen. Auch auf Stufe U18 nahmen wir an der WM teil. Dort haben wir uns eigentlich mehr als Abschlussrang 21 erhofft, allerdings wurden die späteren Weltmeisterinnen aus Korea über eine Wildcard unserer Gruppe zugelost, was die Ausgangssituation grundlegend verändert hat.
Es ist offensichtlich – der Schweizer Frauen-Handball hat im internationalen Vergleich einen grossen Schritt nach vorne gemacht. Welchen Anteil daran hat die 2020 gegründete CONCORDIA Handball-Akademie?
Einen sehr grossen! Wir sind absolut zufrieden mit der Entwicklung. Den Fortschritt, welchen wir nun verzeichnen können, hätten wir vor zwei Jahren sofort unterschrieben. Andere Nationen haben allerdings ähnliche Projekte, die weiteren Schritte in der nahen Zukunft werden wohl kleiner sein. Wir wollen uns aber stetig weiterentwickeln und zur erweiterten Weltspitze aufschliessen. Die Grundlage dafür wird immer die Akademie in Verbindung mit einer guten und konstruktiven Zusammenarbeit mit den Vereinen bilden. Insgesamt ist eine tolle Bewegung im Schweizer Frauenhandball entstanden.
Sprechen wir über die A-Nationalmannschaft der Männer. Die Schweiz hat die Qualifikation für die WM 2023 in Polen und Schweden leider nicht geschafft.
Wir sind in den WM-Playoffs an Portugal gescheitert. Die Portugiesen haben eine eindrückliche Entwicklung hinter sich und gingen sicher als Favorit ins Duell gegen uns. Trotzdem war es unser Ziel, sie zu ärgern und unsere Chance zu suchen. Das ist uns nicht gelungen. Die Kampagne wurde im Nachgang aufgearbeitet und Team und Trainer Michael Suter gehen nun voll fokussiert in die neue Saison mit dem Ziel, sich für die EM 2024 in Deutschland zu qualifizieren. Unsere Gegner in der Qualifikation heissen Ungarn, Litauen und Georgien.
Die U21- sowie die U19-Nationalmannschaft nahm im Sommer an je einer Championship teil. Zweimal schrammte man knapp am Turniersieg vorbei.
Für beide Turniere gilt: Schade, konnten wir uns für teils sehr gute Auftritte nicht belohnen. Die U21 scheiterte nach einer souveränen Vorrunde im Halbfinal nach einer schwachen ersten Halbzeit an Israel.
Die U19 unterlag im Final in einem sehr engen Spiel Nordmazedonien, in der Schlussphase kam vieles zusammen. Einsatz, Wille und Fokus stimmen mich bei diesem Team aber sehr positiv – wir waren im Finale absolut ebenbürtig.
2028 richtet der SHV gemeinsam mit Spanien und Portugal die EM aus. Laufen im sportlichen Bereich da bereits die Vorbereitungen?
Im Hinblick auf die Heim-EM 2028 haben wir schon ein wichtiges Projekt lanciert. Wir verbinden unser etabliertes Projekt mit der Sportwissenschaft in Magglingen, welches die Komponenten Leistungsdiagnostik und Sportpsychologie umfasst, nun noch mit handballspezifischen Lehrgängen. Das heisst die talentiertesten Spieler, die für 2028 eine Rolle spielen können, werden zu regelmässigen Stützpunkttrainings und Kurzlehrgängen inklusive Spielen gegen Vereinsteams zusammengezogen. Diese handballspezifischen Massnahmen werden von Michael Suter geleitet.