Der Aufwärtstrend der Nationalteams des Schweizerischen Handballverbands hielt auch in der Saison 2022/23 an. Ingo Meckes, Chef Leistungssport beim SHV, schaut auf die vergangene Spielzeit zurück und lobt auch die hervorragende Junior*innen-Arbeit im Verband.
Ingo Meckes, was sind deine Highlights aus der vergangenen Saison auf Stufe A-Nationalmannschaften?
Was mich besonders freut: Sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern konnten wir wichtige Erfolge feiern. Im Frauenbereich stellt sicher die erstmalige Teilnahme an einer EM-Endrunde das absolute Highlight dar. Als Aussenseiterin gestartet, holten wir gegen die Kroatien einen Punkt und brachten auch Ungarn an den Rand einer Niederlage. Bei den Männern sind wir dank der im April sichergestellten Qualifikation für die EHF EURO 2024 endlich wieder auf der grossen, internationalen Bühne vertreten. Als Highlight kann man im Nachhinein auch die Gruppen-Auslosung im Mai bezeichnen. Schliesslich werden wir kommenden Januar die Euro gegen Deutschland vor 50'000 Fans eröffnen.
In der Qualifikation hat man aus vier Spielen gegen die auf dem Papier schwächeren Gegner Georgien und Litauen vier Siege eingefahren. Ein neues Schweizer Selbstverständnis?
Wir konnten unsere Gruppe als Team aus Topf 2 in Angriff nehmen. Das ist – mit Blick auf die Vergangenheit – keine Selbstverständlichkeit und der insgesamt sehr positiven Entwicklung in den letzten Jahren zu verdanken. Trotz zähem Start (zwei knappe Siege im Oktober gegen Georgien zuhause und Litauen auswärts, Anm. die Red.) waren wir in den entscheidenden Momenten im Frühling bereit und haben uns am Ende auf souveräne Art und Weise qualifiziert. Die Vorfreude auf das Turnier in Deutschland ist nun riesig. Die EM im Januar wird der letzte Grossanlass unter Michael Suter als Trainer sein. Es freut mich, darf er noch einmal auf der ganz grossen Bühne ran und seine erstklassige Arbeit in verschiedenen Trainerpositionen beim SHV krönen. Unter seiner Ägide waren wir seit 2020 nun bei drei von fünf Grossanlässen dabei. Andy Schmid, der im vergangenen Februar als Nationaltrainer ab Juli 2024 ernannt wurde, kann somit auf einem guten Fundament weiterarbeiten.
Auch bei den Frauen kommt es auf dem Posten des Nationaltrainers zu einem Wechsel.
Martin Albertsen hat sich nach fünf Jahren entschieden, das Angebot von Ferencvaros Budapest anzunehmen. Er wechselt also als Schweizer Nationaltrainer direkt zu einem Teilnehmer am EHF Champions League Final4. Das zeigt auf, wie gut er in den vergangenen Jahren gearbeitet hat und dass dem Schweizer Frauen-Handball auch international immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Was sind die Hauptverdienste von Martin Albertsen?
Seine Verdienste sind sehr gross. Martin hat den nationalen Frauen-Handball auf allen Stufen weiterentwickelt bzw. massgeblich unterstützt. Was neben der tollen Entwicklung der A-Nationalmannschaft nicht vergessen werden darf, sind die Erfolge auf Juniorinnenstufe. Innert vier Jahren kamen wir im weiblichen Nachwuchsranking von Platz 22 in die Top Ten Europas. Auch seine letzte Aufgabe bei uns erfüllte er mit Bravour und schloss die U19-EM im Juli auf Rang 7 ab. Zahlreiche Spielerinnen dieses Teams sind Bestandteil der CONCORDIA Handball-Akademie, in der Martin als Cheftrainer fungierte. An dieser Stelle möchte ich aber auch noch die tolle Zusammenarbeit zwischen allen Trainer*innen-Teams im weiblichen Nachwuchs nennen, die für die Entwicklung in den letzten Jahren ebenfalls eine grosse Bedeutung hat.
Du hast die CONCORDIA Handball Akademie erwähnt. Wie zufrieden bist du mit der Entwicklung?
Das Projekt läuft nun drei Jahre und die ersten Spielerinnen haben diesen Sommer ihre Ausbildung wie geplant abgeschlossen. Highlight: Mit Norma Goldmann (Bad Wildungen Vipers) und Alessia Riner (SU Neckarsulm) wechseln zwei Abgängerinnen direkt in die erste deutsche Bundesliga. An den Juniorinnen-Europameisterschaften nahmen die Akademiespielerinnen wichtige Rollen ein und konnten sich im internationalen Schaufenster präsentieren. Die Akademie funktioniert aber nur durch die insgesamt sehr gute Zusammenarbeit mit den Vereinen, es hat sich in den vergangenen Jahren auch dort eine neue Leistungskultur entwickelt.
Wie präsentiert sich der Stand der Dinge im männlichen Nachwuchsbereich?
Die U19 konnte sich für die U20-Europameisterschaft im kommenden Jahr qualifizieren. Ein Meilenstein. Denn so können wir uns mit den Besten messen, was auf dieser Altersstufe von enormer Wichtigkeit ist. Das Team hat sein Potential auch an der diesjährigen Airport Trophy abgerufen und den Turniersieg nach einer hauchdünnen Niederlage gegen Deutschland nur knapp verpasst. Und auf Stufe U17 setzten wir mit Abschlussrang 4 an den European Open gar ein internationales Ausrufzeichen. Dieser Erfolg ist auch ein Verdienst von Thomas Umbricht und seinem Trainerteam, die in diesem Alterssegment seit Jahren einen super Job machen. Es wird spannend, den Weg dieser Generation in den nächsten Jahren zu verfolgen.
Nach 12 Jahren hast du dich entschieden den SHV Ende Januar 2024 zu verlassen. Kannst du schon ein Fazit zu deiner Laufbahn ziehen?
Mich freut es sehr, dass wir die bei meinem Amtsantritt gesteckten Ziele gemeinsam erreichen konnten. Der Schweizer Handball wird international wieder ernst genommen. Wir können stolz auf das Erreichte sein. Ich bedanke mich bei allen Mitstreiter*innen – egal auf welcher Ebene – mit denen ich während dieser Zeit zusammenarbeiten durfte, sowie dem SHV, der mir damals das Vertrauen geschenkt hat, diese Position anzunehmen.