Guido Frei: "Mein Herz war schon zu tief drin"

09.09.2009

Guido Frei trainiert seit dem vergangenen Dezember das Schweizer Frauen-Nationalteam. Er ist im Frauenhandball kein Unbekannter: Unter seiner Führung gewann Spono Nottwil im Jahr 2006 seinen bis anhin letzten Schweizer Meistertitel. Neben seinem grossen Engagement für den Handball führt Guido Frei in zweiter Generation das Restaurant Krone im bernischen Hindelbank. Im Interview spricht er über die Situation im nationalen Frauenhandball, die Ausgangslage in der neuen NLA-Saison und die Chancen des Nationalteams in der EM-Qualifikation.

Guido Frei trainiert seit dem vergangenen Dezember das Schweizer Frauen-Nationalteam. Er ist im Frauenhandball kein Unbekannter: Unter seiner Führung gewann Spono Nottwil im Jahr 2006 seinen bis anhin letzten Schweizer Meistertitel. Neben seinem grossen Engagement für den Handball führt Guido Frei in zweiter Generation das Restaurant Krone im bernischen Hindelbank. Im Interview spricht er über die Situation im nationalen Frauenhandball, die Ausgangslage in der neuen NLA-Saison und die Chancen des Nationalteams in der EM-Qualifikation.


Guido Frei, Sie haben das Schweizer Frauen-Nationalteam im vergangenen Dezember nach dem Rücktritt der damaligen Trainercrew in einer schwierigen Situation übernommen. Was hat Sie damals zu diesem Entscheid bewogen?
Guido Frei: Nach dem Rücktritt des Trainerstabs um Küse Berchten war das Nationalteam führungslos. Ich war damals U18-Nationaltrainer und es war wohl eine naheliegende Besetzung. Für mich war es aber lediglich eine Interimslösung. Auch wenn es heute komisch tönt: Es war nie meine Absicht, das Team langfristig zu übernehmen.

Dennoch wurden Sie rund drei Monate später zum Nationaltrainer ernannt. Wie kam es dazu?
Guido Frei: Nachdem in den ersten Wochen kein Nachfolger gefunden wurde, habe ich das Team am MasterCup betreut. Zudem kannte ich einen grossen Teil der Spielerinnen bereits aus den Juniorinnen-Nationalteams. Und als mich der Verband dann angefragt hat, war mein Herz einfach schon so tief drin, dass ich nicht mehr nein sagen wollte.

Die Bilanz des vergangenen halben Jahres sieht mit sechs Niederlagen in sechs Testspielen eher ernüchternd aus. Welches persönliche Fazit ziehen Sie nach den ersten Monaten?
Guido Frei: Gegen das europäische Topteam aus Slowenien zeigten wir am MasterCup trotz der kurzen Vorbereitung ansprechende Leistungen. Und in den Spielen gegen Island waren wir nahe an einem Sieg dran. Aber wir haben sechsmal verloren, und das kann man nicht schönreden.

Was muss sich im Schweizer Frauenhandball verbessern, damit langfristig wieder der Anschluss an die Spitze geschafft werden kann?
Guido Frei: Wir müssen konsequent den Weg mit unseren Juniorinnen weitergehen und ein Umfeld schaffen, in dem eine junge Spielerin den Schritt zum Leistungssport schaffen kann. Für unsere Nachwuchsteams wird heute schon sehr viel Positives gemacht, aber es fehlen noch die Voraussetzungen, um danach den Wechsel zu den Aktiven zu vollziehen. Das sieht man auch anhand einem Beispiel: Unsere U18-Juniorinnen können mit europäischen Topteams mithalten, aber je älter die Spielerinnen werden, desto weiter geht im internationalen Vergleich die Schere auseinander.

In der nächsten Saison sind gleich sechs Nationalspielerinnen in Deutschland oder Dänemark engagiert. Wie positiv ist diese Entwicklung für den Schweizer Handball?
Guido Frei: Davon erhoffe ich mir sehr viel. Diese Spielerinnen werden zukünftig auf einem ganz anderen Niveau ins Nationalteam einrücken. Es gibt zwar dadurch auch neue Herausforderungen in der Organisation der Zusammenzüge, aber die nehmen wir gerne in Kauf (lacht).

Der LC Brühl bestreitet die Qualifikation zur Champions League, und auch Nottwil sowie Zug versuchen im Europacup ihr Glück. Wie wichtig sind solche internationalen Erfahrungen?
Guido Frei: Diese Spiele sind äusserst wichtig für die weitere Entwicklung. Gerade auch weil diese Teams in der Schweizer Liga nicht immer wirklich gefordert werden.

Sie sprechen die fehlende Konkurrenz der Spitzenteams in der heimischen Liga an. Können sich die Nationalspielerinnen in der Schweiz unter diesen Bedingungen überhaupt für das Nationalteam in Form bringen?
Guido Frei: Das ist tatsächlich schon länger eine Knacknuss. Immerhin sind in einigen Teams gleich mehrere Nationalspielerinnen gebündelt, was sich zumindest positiv auf die Qualität der Trainings auswirkt. Wenn dann in den Spielen aber vieles zu einfach geht, ist es natürlich nicht ideal.

Die enormen Leistungsunterschiede in der NLA sind schon länger ein Thema. Wie schätzen Sie persönlich die Situation in der höchsten Schweizer Liga ein?
Guido Frei: Es gibt in der Schweiz leider zu wenig Spielerinnen auf NLA-Niveau. Das sieht man auch an der Tatsache, dass gewisse Vereine Mühe haben, überhaupt ein Team zusammenzustellen. Wir brauchen mehr Frauen, die Leistungshandball spielen wollen. Und wir müssen aufpassen, dass wir die guten Juniorinnen nicht verheizen. Sonst kommt es wiederholt zu Situationen, in denen eine 24-Jährige schon sechs Jahre in der NLA gespielt hat und zurücktritt, weil sie bereits alles gesehen hat.

Auch in der neuen Saison startet Brühl als grosser Favorit in die Meisterschaft. Führt überhaupt ein Weg an den St. Gallerinnen vorbei?
Guido Frei: Brühl ist natürlich wieder Kronfavorit auf den Titel, auch wenn das Team den Wegzug von Saskia Lang verkraften muss. Es sind aber wohl genügend Junge da, die bereit sind, in die Bresche zu springen. Zug und Nottwil werden wohl wieder die härtesten Verfolger sein, wobei Zug bereits über ein eingespieltes Team verfügt, weil in der Sommerpause kaum gewechselt wurde. Bei Nottwil wird es spannend zu beobachten sein, wie sich der Wegzug von Nicole Dinkel auswirken wird.

Gibt es einen Aussenseiter, der in der kommenden Saison besonders beachtet werden sollte?
Guido Frei: Ich glaube, dass die Zofingerinnen über ein junges, wildes Team verfügen, das bereit ist, viel und hart zu trainieren. Ich erhoffe mir sogar, dass sie vielleicht mal einem Topteam ein Bein stellen können. Und auch die Thunerinnen haben in den vergangenen Jahren viel gearbeitet. Die wirkliche Stärke der verschiedenen Teams ist aber nur schwer einzuschätzen.

Zurück zum Nationalteam: Mitte Oktober bestreiten Sie gegen die Ukraine und Rumänien die ersten Ernstkämpfe in der EM-Qualifikation. Die Schweiz ist dabei krasser Aussenseiter. Was trauen Sie Ihrer Equipe gegen die Osteuropäerinnen zu?
Guido Frei: Wir treffen da auf zwei absolute Spitzenteams. Rumänien wurde an der letzten WM Vierter, und die Ukraine ist praktisch an jeder Endrunde vertreten. Je nachdem, wie ernst wir genommen werden, könnte es für uns sehr lehrreich werden (lacht). Nein, ernsthaft: Wir wollen vor allem im Heimspiel gegen Rumänien gute Werbung machen und von den internationalen Erfahrungen profitieren.

Mit Rumänien, der Ukraine und Portugal hat die Schweiz eine der schwierigsten Gruppen überhaupt erwischt. Was ist in der Qualifikation möglich?
Guido Frei: Auch wenn die Portugiesinnen etwas stärker eingestuft sind als wir, ist für uns wohl vor allem gegen diesen Gegner ein positives Resultat möglich. Unser Ziel muss es daher sein, aus den ersten Partien die richtigen Lehren zu ziehen und danach gestärkt aufzutreten. Und auch der Heimvorteil kann ein entscheidender Faktor werden.

Quelle: Marco Ellenberger

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