16.06.2010
Der dänische Trainer Ulrik Wilbek musste am Sonntag mitansehen, wie seine Mannschaft einen komfortablen Vorsprung noch verspielte. Der 52-Jährige glaubt aber auch vor dem Rückspiel am Sonntag (16.45 Uhr) in St. Gallen daran, dass sein Team den Sprung an die WM-Endrunde schafft. Vor dem wichtigsten Spiel des Jahres steht er aber auch unter grossem Druck.
Der dänische Trainer Ulrik Wilbek musste am Sonntag mitansehen, wie seine Mannschaft einen komfortablen Vorsprung noch verspielte. Der 52-Jährige glaubt aber auch vor dem Rückspiel am Sonntag (16.45 Uhr) in St. Gallen daran, dass sein Team den Sprung an die WM-Endrunde schafft. Vor dem wichtigsten Spiel des Jahres steht er aber auch unter grossem Druck.
Herr Wilbek, was ist Ihnen am Sonntagabend durch den Kopf gegangen, als Ihre Mannschaft in den letzten zwölf Minuten die Hälfte eines Zehn-Tore-Vorsprungs verspielte?
Ulrik Wilbek: Das hat mich geärgert, das war ein Schönheitsfehler. Aber grundsätzlich war ich zufrieden. Wir haben 45 Minuten lang auf einem hohen Niveau gespielt.
Sie haben vor dem Spiel in einem Fernsehinterview erklärt, das Minimalziel sei ein Drei-Tore-Sieg. Sind Sie ein Tiefstapler?
Ulrik Wilbek: Überhaupt nicht. Einerseits gab es in meinem Team einige unbekannte Grössen, weil wir nur ein paar Tage Zeit hatten, uns vorzubereiten. Anderseits hatten und haben wir grossen Respekt vor den Schweizern, die in der Aufbauphase gegen Österreich überzeugten.
Jetzt kommen Sie mit fünf Toren Vorsprung nach St. Gallen. Sind Sie weiterhin zuversichtlich, nachdem die Schweizer vorgemacht haben, wie man in zwölf Minuten fünf Tore aufholt?
Ulrik Wilbek: Klar hätten wir gerne acht oder zehn Tore Vorsprung mitgenommen. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass auch der kleinere Vorsprung reicht. Einerseits werden wir unsere Leistung in den letzten 15 Minuten sehr genau analysieren und an der Disziplin und Konzentration arbeiten. Anderseits glaube ich auch, dass wir auf Grund unserer Kaderbreite noch Steigerungspotenzial haben.
Wie richten Sie sich am Sonntag auf das aggressiv-offensive Deckungssystem der Schweizer ein?
Ulrik Wilbek: Wir haben uns letzte Woche immer wieder und mit grosser Aufmerksamkeit mit der DVD des Spiels Schweiz-Österreich in Altdorf befasst, und in Bröndby hatten wir die Spielweise der Schweizer ja relativ früh im Griff.
Der Durchbruch gelang aber doch erst, als Sie Markussen und Spellerberg einwechselten...
Ulrik Wilbek: ...das war eher zufällig. Wir waren, das gebe ich zu, zunächst sehr nervös. Die Beruhigung stellte sich erst mit den ersten zwei, drei erfolgreichen Tempo-Gegenstössen von Lars Christiansen und Hans Lindberg ein, das hat uns befreit. In der zweiten Hälfte kam dann die Treffsicherheit von Mikkel Hansen dazu.
Apropos Mikkel Hansen. Dieses Riesentalent kehrt schon im Alter von 22 Jahren von Barcelona wieder in die dänische Liga zurück. Ist das nicht ein Nachteil für seine Entwicklung?
Ulrik Wilbek: Nicht unbedingt. Dänemark hat die drittbeste Liga in Europa, und Hansens neuer Klub, AG Kopenhagen, wird voraussichtlich in der Lage sein, an der Spitze mitzuspielen. Für die Nationalmannschaft ist die Rückkehr ein Vorteil, weil Mikkel einer meiner Schlüsselspieler ist. Sein Umzug nach Kopenhagen erleichtert die Kommunikation und den persönlichen Kontakt.
Welche Schweizer Spieler sind Ihnen in Bröndby besonders aufgefallen?
Ulrik Wilbek: Die Schaffhauser Spieler, die im Europacup erfolgreich waren, also Ursic, Liniger und Graubner, haben mir phasenweise gut gefallen, und besonders stark war natürlich der Torhüter Roman Schelbert. Der Erfolg der Kadetten gegen Flensburg war übrigens hilfreich für unsere mentale Vorbereitung. Flensburg wird ja bei uns quasi als dänischer Verein betrachtet. Und wer eine solche Mannschaft eliminiert, der muss etwas können.
Die dänischen Medien deklarierten die beiden Play-off-Spiele zu den wichtigsten Partien der letzten zehn Jahre. Weshalb?
Ulrik Wilbek: Der Handball hat in Dänemark nach den Olympiasiegen und Weltmeistertiteln der Frauen und nach unserem EM-Titel von 2008 einen enormen Stellenwert. Die WM findet in Südschweden statt, und die finale Phase in Malmö, nur 30 Kilometer vom Stadtzentrum Kopenhagens entfernt. Zudem ist es im Hinblick auf die Olympischen Spiele von 2012 enorm wichtig, sich für die nächsten zwei Titelturniere zu qualifizieren. Nach Schweden werden rund 10'000 dänische Handballfans reisen, sofern wir uns qualifizieren. So gesehen, wäre ein Scheitern in den Augen der dänischen Sport-Öffentlichkeit eine Katastrophe.
Zu den Personalien am nächsten Sonntag. Spielen Sie mit dem gleichen Aufgebot?
Ulrik Wilbek: Auf Anders Eggert werde ich wohl wieder verzichten müssen. Es ist besser, wenn er jetzt die Sommerpause nützt, um seine Leistenprobleme zu lösen. Ich beabsichtige aber, den Kreisläufer Henrik Toft-Hansen, den Bruder von René, zu nominieren.
Ihre Kreisläufer-Evaluation deutet darauf hin, dass der Ausfall des Weltklassemanns Michael Knudsen doch mehr Spuren hinterlassen hat als Ihnen lieb ist?
Ulrik Wilbek: Nein. Wir haben ja das Glück, dass wir ein grosses Angebot an Spielern haben, weil wir ja in längeren Vorbereitungen immer auch eine B-Nationalmannschaft führen. Es ist zwar bedauerlich, dass Michael nicht dabei sein kann. Aber Jesper Nöddesbo hat bei seinem Comeback meine Erwartungen voll erfüllt, und auch der Halblinke Mads Christiansen, der im A-Team ein Neuling ist, entwickelt sich gut. Der junge Nikolaj Markussen, der schon einen Vorvertrag mit Ciudad Real besitzt, ist in seiner Entwicklung ebenfalls auf gutem Wege.
Was fällt Ihnen zum Stichwort St. Gallen ein?
Ulrik Wilbek: Eine sehr schöne Stadt, die ich von früheren Dienstreisen kenne. Man hat mir gesagt, in St. Gallen sei das beste Publikum zuhause. Freuen wir uns also auf ein tolles Handballfest.
Ulrik Wilbek (52) ist seit Sommer 2005 dänischer Nationaltrainer. – Erfolge: EM-Bronze 2006, WM-Bronze 2007, EM-Gold 2008
Der SHV ist der nationale Fachverband und das Kompetenzzentrum für den Handballsport in der Schweiz.
Der SHV ist Mitglied von Swiss Olympic sowie des Weltverbands IHF und der Europäischen Handball Föderation EHF.
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