Quickline Handball League • 10.04.2020
Die Anforderungen an einen Geschäftsführer haben sich mit dem Beginn der Corona-Krise schlagartig geändert. Statt Spieltage zu organisieren gilt es nun den Verein sicher durch eine unklare Situation zu führen. Achim Dähler, seit 2019 Geschäftsführer beim BSV Bern, erzählt im Interview welche Aufgaben hierbei derzeit am Dringlichsten sind, was für Gefahren die Situation birgt und warum er trotz allem positiv bleibt.
handball.ch: In diesen kritischen Zeit zunächst mal die Frage: wie geht es dir und deinem direkten Umfeld?
Achim Dähler: „Bis jetzt sind glücklicherweise sowohl im Umfeld des Vereins als auch in meiner Familie alle gesund. Zuhause sind wir besonders vorsichtig, da meine Frau schwanger ist und wir natürlich kein Risiko eingehen wollen.“
Wie hast du den Abbruch der Meisterschaft erlebt und war es aus deiner Sicht die richtige Entscheidung?
Achim Dähler: „Die Saison vorzeitig abzubrechen war absolut richtig. Wir haben einen Tag vor dem Abbruch, am 12. März, noch zuhause gegen Basel gespielt und man hat deutlich gemerkt, dass die Leute Angst hatten. Es kamen dreimal weniger Zuschauer in die Mobiliar Arena und auch im Hospitality gab es im Vorfeld eine grosse Zahl an Stornierungen. Es war richtig spürbar, dass die Leute gar nicht mehr live bei einem Spiel dabei sein wollten. Auch vor dem gesundheitlichen Aspekt war es wichtig zu diesem Zeitpunkt über alle Ligen verteilt den Stecker zu ziehen.“
Wie haben der Abbruch und die Vorgaben des Bundes deinen Arbeitsalltag seit dem 13. März beeinflusst?
Achim Dähler: „Ehrlich gesagt war Corona schon vor dem 13. März das bestimmende Thema. Etwa 14 Tage davor hat das Virus bereits die Hälfte meines Arbeitsalltages eingenommen. Von allen möglichen Seiten gab es Fragen zum Umgang mit Corona und wie auch alle anderen Vereine, mussten auch wir wegen der schrittweise verschärften Bedingungen zur Durchführung von Veranstaltungen Massnahmen ergreifen. Beim BSV hatten wir uns frühzeitig dazu entschlossen die speziell geplanten Sonderevents wie den Family-Day, das BSV-Jassturnier oder die YB-Night in Kooperation mit den Fussballern der Young Boys abzusagen.
Seit dem Abbruch dreht sich 80 Prozent meiner Arbeit um Corona. Spieler, Mitarbeiter, Sponsoren – alle melden sich und die Geschäftsstelle fungiert als Anlaufpunkt für sämtliche Anfragen. Da die Situation für uns alle neu ist, ist die Antwort auch nicht immer klar und eindeutig. Hinzu kommt, dass man täglich mit Neuem konfrontiert ist und Änderungen stets möglich sind.“
"Uns geht ein sechsstelliger Betrag verloren"
Achim Dähler über den Verlust bei den Einnahmen
Wie sieht aktuell ein exemplarischer Arbeitstag von dir aus? Was ist gleich, was ist anders?
Achim Dähler: „Aktuell bin jeweils einen halben Arbeitstag im Büro und den Rest erledige ich von zu Hause aus. Alle anderen Personen, die auf der Geschäftsstelle tätig sind, arbeiten ausschliesslich im Home-Office. Im Büro liegt der Schwerpunkt darauf das laufende Tagesgeschäft abzuwickeln. Die Kommunikation und Organisation um die Spieltage ist derzeit natürlich hinfällig, aber beispielsweise Beiträge auf Social Media plane und koordiniere ich weiterhin. Hinzu kommt leider die Abwicklung von bereits geplanten Sonderevents rund um unsere Heimspiele. Und schlussendlich nimmt der Austausch mit Sponsoren, Spielern und vielen weiteren Personen momentan noch mehr Zeit ein als sonst.“
Was steht auf der Agenda derzeit ganz oben?
Achim Dähler: „Ganz klar: Es geht darum die Liquidität aufrecht zu erhalten. Eine zentrale Aufgabe ist, das aktuelle Budget bestmöglich abzuschliessen. Aus dem ordentlichen Betrieb kommen derzeit keine Einnahmen rein, wodurch uns ein sechsstelliger Betrag verloren geht. Gleichzeitig müssen wir natürlich Rechnungen begleichen und Löhne auszahlen. Deshalb müssen wir bei all unseren Aufgaben schauen, was man retten und aufrecht erhalten kann, an welcher Stelle man Kürzungen vornehmen kann oder worauf man verzichten muss. Zu guter Letzt gilt es auch noch die Budgetplanung für die nächste Saison zu erstellen. Bei allem bin ich stets in engem Austausch mit unserem Verwaltungsratspräsidenten und weiteren Führungsfunktionären im Verein.“
Mitarbeiter, Fans, Funktionäre, Sponsoren - wie sieht der Kontakt zu den Gruppen momentan aus?
Achim Dähler: „Die erste Mannschaft haben wir am 16. März nochmals gemeinsam versammelt um ihnen die Situation so gut es ging zu erklären. Seitdem war das Team nicht mehr zusammen und wir halten untereinander den Kontakt nur noch über WhatsApp oder Telefon. Die Spieler haben ein individuelles Trainingsprogramm erhalten.
Bei den Sponsoren liegt der Fokus ganz klar darauf, mit unseren Partnern Ideen zu entwickeln, wie man sich weiterhin gegenseitig unterstützen kann. Ich meine, dass jetzt auch die Zeit ist, den Sponsoren etwas zurück zu geben. Mit verschiedenen Partnern konnten wir bereits spannende Sachen aufgleisen.
Bei allen, egal ob Spieler, Funktionär, Partner oder Mitarbeiter ist spürbar, dass der Abbruch einen Knick in der Stimmung verursacht hat. Wir standen kurz vor den Playoffs, was für Alle das Highlight der Saison ist. Die BSV-Familie steht in einer solch ausserordentlichen Zeit aber füreinander ein und wir funktionieren auch ohne den Sportbetrieb als homogene Einheit.“
"Jetzt ist auch soziale Verantwortung gefragt"
Achim Dähler zur Rolle des Vereins in der Corona-Krise
Welche Gefahren und Risiken birgt die Situation rund um Corona für einen Sportverein?
Achim Dähler: „Die Situation ist tragisch und für manchen Verein ohne Frage auch existenzbedrohend. Die finanziell gravierenden Auswirkungen dürfen auf keinen Fall unterschätzt werden. Gleichzeitig stehen Sportvereine aber auch vor einer spannenden Ausgangslage. Die aktuellen Einschnitte werden die Gesellschaft und auch den Sport grundlegend verändern. Dadurch entstehen zwangsläufig neue Möglichkeiten, Schwerpunkte und damit auch Chancen. Unter dem Strich gilt es demütig zu sein und sich das Ziel zu setzen, gestärkt aus der Krise heraus zu kommen.“
Was sind die Lösungen, um diese Krise mehr oder weniger schadlos zu überstehen? Allgemein und auf den BSV bezogen?
Achim Dähler: „Kurzfristig haben auch wir die Option genutzt und Kurzarbeit angemeldet, denn unsere Spieler können ihrem Job derzeit nicht nachgehen. Zudem prüfen wir intensiv alle Möglichkeiten, die uns als Unterstützung zur Verfügung stehen. Mittelfristig steht die Frage im Raum, wie man die Einnahmen möglichst stabil und gleichzeitig die Investitionen klein halten kann. Und natürlich ist es auch mit Blick auf die Zukunft essentiell, wie die Zusammenarbeit und Unterstützung unserer Partner und Sponsoren weiterhin gewährleistet werden kann.“
Mit was für einem Zeithorizont plant ihr aktuell in Richtung Wiederaufnahme Trainingsbetrieb, Planung nächste Saison?
Achim Dähler: „Momentan ist nichts unsicherer als Prognosen. Aktuell denke ich, dass bis Ende Mai kein Trainingsbetrieb zugelassen werden wird. Zumal für mich das oberste Credo ist, dass man kein Risiko irgendeiner Art eingehen darf. Abseits des Feldes haben wir Spieler, die ab dem 1. Juni zu uns stossen. Für sie gilt es weiterhin Vorbereitungen zu treffen, wie bei der Wohnungssuche behilflich sein. Auf der anderen Seite sind da noch Spieler, die kommende Saison nicht mehr das BSV-Trikot tragen werden. Für sie ist die Perspektive teilweise schwierig, weil sie noch keinen Anschlussvertrag haben und derzeit eine Vereinssuche mehr als schwierig ist. Auch sie wollen wir so gut es geht unterstützen, denn in der aktuellen Zeit geht es mehr denn je darum soziale Verantwortung zu übernehmen.“
Bist du im Austausch mit anderen Geschäftsführern, vielleicht auch aus anderen Sportarten? Was gibt es hierbei zu berichten?
Achim Dähler: „Ich stehe im Austausch mit mehreren Kollegen aus den Handballclubs. Auch mit unseren Nachbarn von YB und dem SC Bern bespreche ich mich immer mal wieder. Generell ist die Situation für uns alle neu und da hilft es, wenn man sich bei speziellen Fragen beispielsweise zum Thema Kurzarbeit austauschen kann. Ein Patentrezept haben wir alle nicht und schlussendlich muss jeder Verein seinen eigenen Weg gehen. Zumal neben der finanziellen Ausgangslage auch die aktuelle sportliche Situation unterschiedlich ist. Manche sind mit einem Unterbruch konfrontiert, andere müssen einen Abbruch managen. Am Ende eint uns aber, dass wir alle das Ziel haben, gesund und mit neuem Schwung aus der hoffentlich einmaligen Situation heraus zu kommen.“
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