Handball Schweiz • 26.11.2020
Seit Ende Oktober pausiert der Handball-Spielbetrieb in fast allen Ligen – damit ist auch die Mehrheit der Schiedsrichter zurzeit «arbeitslos». Trotzdem will Reto Morell, Leiter der Schiedsrichter-Abteilung im SHV, den Kopf nicht in den Sand stecken. Im Rahmen der «Week of the Referee» spricht er über die Neuausrichtung der Abteilung, und wo nach der Coronakrise die grössten Herausforderungen warten werden.
Reto Morell, der Spielbetrieb liegt bis auf die beiden Spitzenligen still im Handball. Wie gehen die Schiedsrichter mit der Situation um?
Reto Morell: Erfahrungsgemäss gehen sie damit sehr pragmatisch um und nehmen die Lage, wie sie ist. Aber wir hoffen natürlich alle, dass bald wieder gespielt werden kann.
Sind die Schiedsrichter aktuell überhaupt gefordert?
Reto Morell: Neben den Spieleinsätzen haben wir auch das gesamte Kurswesen unterbrechen müssen. Die Schiedsrichter der unteren Ligen, also der Bereiche Breite und Leistung, sind davon besonders betroffen. Die im Frühsommer geplanten Weiterbildungskurse mussten abgesagt und auf Oktober verschoben werden – nur um ein weiteres Mal nicht stattfinden zu können. Wir haben jetzt zumindest Dokumente für ihr Selbststudium zur Verfügung gestellt und auch den Regeltest online durchgeführt, aber das ist alles andere als ideal. Seit gut einem Jahr haben wir keinen direkten Austausch mehr mit der Mehrheit unserer Schiedsrichter. Das ist schon unangenehm.
Und wie sieht es in der Spitze aus?
Reto Morell: In den Spitzenligen der NLA und SPL1 wird ja weitergespielt, dort erhalten die Schiedsrichter auch weiter Einsatzzeiten. Allerdings sind es natürlich weniger Einsätze als sonst. Und jene, die in der NLB und SLP2 pfeifen, sind momentan auch gänzlich «einsatzlos». Trotzdem zeigen die Schiedsrichter viel Verständnis – für diese Situation ist schliesslich niemand verantwortlich.
Wie ergeht es den Schiedsrichtern, die international im Einsatz sind?
Reto Morell: Sie müssen vor allem flexibel sein – immer mehr Spiele werden aufgrund von Corona-Fällen verschoben oder Reisebeschränkungen verhindern den Einsatz. Nehmen wir nur das Beispiel von Andreas Capoccia und Beat Jucker, die zunächst ein Spiel der EHF European League Männer in Slowenien leiten sollten, dann aber kurzfristig ein neues Aufgebot in Deutschland erhalten haben. Das Schiedsrichter-Paar Arthur Brunner und Morad Salah ist für die im Januar in Ägypten geplante Weltmeisterschaft aufgeboten. Ihre Herausforderung wird vor allem sein, im Vorfeld genügend Spielpraxis zu erlangen, um sich optimal auf das Turnier vorbereiten zu können – sollte es denn tatsächlich stattfinden.
«Wir wollen die Handball-Schiedsrichter in jeder Etappe ihrer Karriere begleiten und fördern. Damit verbessern wir die Qualität der Schiedsrichter in allen Ligen.»
Reto Morell, Leiter Abteilung Schiedsrichter SHV.
Besteht das Risiko, dass Schiedsrichter nach einer so langen Pause das Interesse am Pfeifen verlieren?
Reto Morell: Auch wenn es niemand genau vorhersagen kann, denke ich das eigentlich nicht. Als im September wieder gespielt wurde, waren alle Funktionäre topmotiviert dabei. Wir haben nach dieser ersten langen Pause keine vermehrten Abgänge festgestellt, auch das Niveau ist stabil geblieben. Herausfordernd ist vielmehr, dass wir im Moment keine konkreten Massnahmen planen können, um unsere Leute weiterzubilden und zu fördern. Auch die Rekrutierung von neuen Schiedsrichtern ist in dieser Phase schwierig, da keine praktischen Einsätze stattfinden können.
Im Hintergrund laufen die Arbeiten in der Abteilung Schiedsrichter, um sich neu aufzustellen. Was sind eure Ziele und die nächsten Schritte?
Reto Morell: Ein Hauptziel ist, die Handball-Schiedsrichter in jeder Etappe ihrer Karriere besser begleiten und fördern zu können. Von der Ausbildung bis zum Spitzenkader stellen wir die Betreuung sicher, damit Schiedsrichter, die sich weiterentwickeln wollen, optimal begleitet werden. Damit wollen wir langfristig die Qualität der Schiedsrichter in allen Ligen verbessern. Trotz Meisterschaftsunterbruch können wir hier zum Glück weiterarbeiten, neue Funktionäre rekrutieren und ausbilden. Das zweite Hauptziel, nämlich mehr neue Schiedsrichter zu gewinnen und zu halten, haben wir bereits mit dem neuen Ausbildungsmodell in Angriff genommen. Wir hoffen, dass wir sobald wie möglich wieder die Ausbildungskurse anbieten können.
Welche Bedeutung hat eine die «Week of the Referee» gerade in der aktuellen, unruhigen Zeit?
Reto Morell: Es ist natürlich schade, dass die Spieler, Trainer, Zuschauer und allgemein die Vereine den Schiedsrichtern nicht auf dem Spielfeld danken können – diese Geste ist enorm wichtig, um die Bedeutung des Unparteiischen in einem Spiel zu signalisieren. Aber es ist schön, dass die Schiedsrichter wenigstens ein kleines Dankeschön erhalten. Das ist auch für sie ein Zeichen der Wertschätzung.
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