Handball Schweiz • 21.04.2020
Der Schweizerische Handball-Verband schreibt die Meisterschaft 2020/21 aus. Die Mitgliedsvereine können ihre Teams bis zum 20. Mai 2020 anmelden. Im Gespräch erklärt ZV-Mitglied Adrian Kneubühler, welche Gründe zur Nichtwertung der abgebrochenen Saison 2019/20 geführt haben, welchen Einfluss die Corona-Krise auf die kommende Saison haben wird und wie er die Situation persönlich erlebt.
Adrian Kneubühler, am 13. März 2020 wurde die Meisterschaft abgebrochen. Eine Woche später hat der ZV entschieden, dass die Saison 19/20 nicht gewertet wird und es sportlich weder Auf- noch Absteiger gibt. Was waren die Beweggründe?
Adrian Kneubühler: Im Auftrag des ZV hat die Wettspielbehörde diverse Taskforces eingesetzt, um die notwendigen Beschlüsse zu fällen. Die Woche zwischen dem 13. und dem 20. März war sehr intensiv. In den einzelnen Gremien wurden diverse Szenarien diskutiert. Wir mussten feststellen, dass es keine Lösung gab, welche für alle Situationen zu gerechten Resultaten kommt. Das Szenario «Nichtwertung» wurde schliesslich gewählt, weil es die am wenigsten ungerechte Lösung ist. Zum Zeitpunkt des Abbruchs gab es nämlich noch keine Teams, die definitiv auf- oder abgestiegen wären. Mit der Nichtwertung müssen nun keine auf Hypothesen und Mutmassungen gestützte Entscheidungen gefällt werden. Ein anderes Szenario hätte zu zahlreichen Ungerechtigkeiten, Diskussionen und möglicherweise sogar Rechtsstreiten geführt.
War der Entscheid der Nichtwertung umstritten?
Adrian Kneubühler: Nein, im Gegenteil. Es war beeindruckend, dass das Szenario auch von Taskforce-Mitgliedern entscheidend mitgetragen wurde, deren Vereine mit teilweise mehreren Teams kurz vor einem Aufstieg standen. Allen Mitwirkenden war klar, dass eine Nichtwertung der Meisterschaft am schnellsten für Planungssicherheit sorgt. Am meisten umstritten war noch die Frage, ob freiwillige Absteiger ersetzt werden sollen. Auch hier hat sich jedoch eine starke Mehrheit dafür entschieden, freiwillige Absteiger nicht zu ersetzen. Ein allfälliger Aufstieg soll nicht davon abhängig sein, dass zufällig irgendwo wegen eines freiwilligen Abstiegs ein Platz frei wird.
Welche Auswirkungen hat dieser Entscheid auf den Spielbetrieb?
Adrian Kneubühler: Weil freiwillige Absteiger nicht ersetzt werden, wird es nächste Saison in einzelnen Ligen im Vergleich zur ordentlichen Ausgangszahl mehr oder weniger Teams geben. Damit wir in der übernächsten Saison wieder die ordentliche Ausgangszahl pro Liga erreichen, gibt es nächste Saison auch mehr oder weniger Absteiger als üblich. Ansonsten sind die Auswirkungen auf den Spielbetrieb gering.
Adrian Kneubühler, ZV-Mitglied und Leiter Strategischer Ausschuss Spielbetrieb und Schiedsrichter.
Gibt es Spezialfälle?
Adrian Kneubühler: Grundsätzlich nicht. Ein Spezialfall ist höchstens bei den Juniorinnen- und Junioren-Kategorien auf Stufe Inter zu erwähnen. Dort wird ja die Meisterschaft in zwei Phasen durchgeführt, mit Auf- und Absteigern Ende Dezember und dann erneut zum Saisonende. Hier haben wir uns entschieden, dass nur die Frühlingsmeisterschaft als abgebrochen gilt. Die Herbstmeisterschaft wurde Ende Dezember 2019 ja korrekt beendet. Deshalb starten wir in diesen Ligen mit dem Teambestand per Anfang Jahr. In den Juniorinnen-Kategorien werden wir voraussichtlich schon per Ende Dezember 2020 eine Aufstockung auf acht Eliteteams vornehmen. Dieser Entscheid hat aber nichts mit der Coronakrise zu tun. Er wurde von der Wettspielbehörde schon vor dem Meisterschaftsabbruch gefällt und bei betroffenen Teams kommuniziert.
Am Montag wurden die Vereine über die Weisungen zum Wettspielreglement für die neue Saison informiert. Inwiefern hat die Coronakrise die Arbeiten beeinflusst?
Adrian Kneubühler: Eigentlich eher wenig. Wir haben ja die Hoffnung und Erwartung, dass wir allenfalls mit gewissen Einschränkungen wie geplant in die nächste Saison starten können. Auf operativer Ebene und auf Stufe Wettspielbehörde waren die meisten Arbeiten schon vor dem Meisterschaftsabbruch beendet.
Die Saison wird nun wie gewohnt ausgeschrieben. In welchen Bereichen kommt es zu Anpassungen?
Adrian Kneubühler: Es gibt primär nur technische Änderungen. Ich möchte an dieser Stelle einzig auf drei Punkte hinweisen. In der Praxis gab es auf fast allen Stufen Probleme mit der Talentförderungslizenz, der TFL. Oft wurden diese zu spät beantragt, zahlreiche Ausnahmen – immer im Interesse der jungen Spieler und Spielerinnen – waren die Folge. Diese Praxis hatte irgendwo aber etwas Willkürliches an sich. Neu gibt es generell die Möglichkeit, dass eine nachträgliche TFL nach dem sechsten Spiel gegen eine zusätzliche Bearbeitungsgebühr von 100 Franken gelöst werden kann. Nach dem siebten Spiel in der höheren Liga sind jedoch auf allen Stufen weitere Ausnahmen ausgeschlossen. Weiter möchte ich die Vereine auf die zweimalige Verdoppelungsmöglichkeit der Ersatzabgabe für ungenügende Trainerlizenzen sowie die Ausbildungsentschädigung bei Transfer eines Nachwuchsspielers an einen SHL-Verein hinweisen.
Welche Unterstützung wird der Verband den Vereinen im Bereich Spielbetrieb anbieten?
Adrian Kneubühler: Ich erwarte und wünsche mir von den Mitarbeitern des Spielbetriebs eine gewisse Kulanz gegenüber Vereinen. Es darf aber keine Einbahn-Kommunikation sein! Ich ersuche alle Vereine, bei Problemen möglichst rasch und aktiv das Gespräch mit den Mitarbeitenden der Geschäftsstelle zu suchen. Dies gilt auch für Probleme finanzieller Art.
Adrian Kneubühler, ZV-Mitglied und Leiter Strategischer Ausschuss Spielbetrieb und Schiedsrichter.
Wie geht der Zentralvorstand allgemein mit der aktuellen Lage um? Welche Fragen sind zurzeit noch offen?
Adrian Kneubühler: Ich kann natürlich nicht abschliessend im Namen des ZV sprechen. Der ZV hat aber nach dem Entscheid des Meisterschaftsabbruchs vorerst die operative Ebene und die Wettspielbehörde arbeiten lassen, um die technischen und organisatorischen Fragen zu klären. Der ZV wird meiner Ansicht nach umfassend die finanzielle Situation des Verbands und insbesondere auch der Vereine analysieren müssen. Das ist für mich die Hauptaufgabe. Weiter wird der ZV die strategische Ausrichtung des Verbands überprüfen müssen. Die Coronakrise wird unsere Gesellschaft verändern. Darauf muss der SHV reagieren oder noch besser agieren können.
Wie erlebst Du persönlich die Situation?
Adrian Kneubühler: Ich habe das Privileg, dass ich zurzeit höchstens «mental» leide. Ich bin gesund und kann meine Arbeit als Notariatsinspektor des Kantons Bern weitgehend unverändert ausüben. Da ich aber als Handwerker oder Gärtner höchst ungeeignet bin, fällt mir das «Zu-Hause-Bleiben» äusserst schwer. Mir fehlen die sozialen Kontakte halt schon, genauso wie die Einsätze als Delegierter. Ich glaube dem ersten Trainer, der mich in der nächsten Saison irgendwie kritisiert, falle ich überglücklich um den Hals.
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