Wechsel im SHV-Präsidium – Ulrich Rubeli und Pascal Jenny im Gespräch

Handball Schweiz  •  31.12.2021

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Zum Jahreswechsel löst Pascal Jenny Ulrich Rubeli an der SHV-Spitze ab. Der alte und neue Präsident erinnern sich an ihr erstes Treffen, analysieren die aktuelle Lage der Handball-Schweiz und blicken in die Zukunft.

«Ich kenne keinen Menschen, der mehr Ideen hat, wenn er am Morgen aufwacht». So hat Ueli Dich, Pascal, unlängst beschrieben. Mit welcher Idee bist Du heute Morgen aufgewacht?
Pascal Jenny: Heute Morgen bin ich mit einem Email von Ueli erwacht, in welchem er sich vom EHF- und IHF-Präsidenten verabschiedet. So kamen mir spontan Ideen in den Sinn, was man bei unseren beiden Dachverbänden alles ändern könnte.
Ulrich Rubeli lacht.

Und wie würdest Du, Pascal, deinen Vorgänger beschreiben?
Pascal Jenny: Ich kenne keinen Menschen, der in einem Gremium besser zuhören und danach den richtigen Weg einschlagen kann, als Ueli. Er kann extrem gut Leute ins Boot holen.

Wann seid ihr euch eigentlich das erste Mal begegnet?
Ulrich Rubeli:
Vor gut 15 Jahren. Lustigerweise war das dann, als ich von den Regionen als neuer SHV-Präsident vorgeschlagen wurde. Die dazumal graue Eminenz des Schweizer Handballs – Karl Mordasini – befragte mich vor der Wahl in einer Art Hearing. Mit dabei war auch Pascal als Vertreter der jungen Generation und aktiver Spieler.
Pascal Jenny: Das war tatsächlich so. Übrigens fand dieses Gespräch in einem Restaurant irgendwo zwischen Winterthur und Schaffhausen statt. Vielleicht war es auch eine Autobahnraststätte. Ich sollte jedenfalls meine Meinung äussern, ob dieser Herr Rubeli für das Amt des SHV-Präsidenten auch wirklich geeignet war.

Hast Du deinen Vorgänger also ins Amt gehievt?
Pascal Jenny: Nein, ich hatte vor allem zugehört. Uns aktiven Sportlern wurde eine Stimme gegeben. Wir sollten nicht nur Handball spielen und über den Verband motzen, sondern uns auch neben dem Feld miteinbringen. Ich fand das eine gute Idee, deshalb war ich da dabei. Heute sind übrigens Athletenvertreter in vielen Verbandsgremien nicht mehr wegzudenken. Der SHV war schon damals einen Schritt voraus.

Pascal sitzt seit 2012 im ZV, ihr habt manch gemeinsame Sitzung hinter euch. Gab es da auch Meinungsverschiedenheiten?
Pascal Jenny:
Wir hatten sicher mal andere Meinungen, haben uns im Gespräch aber stets gefunden. Es war für mich immer ein sehr angenehmes Verhältnis
Ulrich Rubeli: Es wäre fatal, hätten wir nie Meinungsverschiedenheiten gehabt. Pascal hat in seiner Position im ZV stets Inputs gebracht. Die konnten wir nicht immer umsetzen, aber das gehört dazu.
Pascal Jenny: Ich wurde oft als Vertreter der Ostschweiz angesehen, Ueli als Vertreter der Berner. Oftmals haben wir «unsere» jeweiligen Exponenten angehört, dann miteinander gesprochen und aufgrund dessen einen Entscheid gefällt. So blieb die Kirche im Dorf.
Ulrich Rubeli: Es war gut, gab es uns zwei – zum Beispiel in der «heissen Phase» zwischen Wacker Thun und Kadetten Schaffhausen.

 

 

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Warum hörst Du genau jetzt auf, Ueli?
Ulrich Rubeli: Ich muss kurz ausholen. Ich habe lange für die Reorganisation des Verbandes gekämpft. Als es 2014 so weit war, konnte ich nicht einfach gehen. Damals sagte ich mir, dass ich bis 2019 weitermache. Dass es nun noch zwei weitere Jahre wurden, ist den Umständen – in erster Linie Corona – geschuldet.

Du wurdest vom ZV als Uelis Nachfolger vorgeschlagen, Pascal, und schliesslich im September als neuer SHV-Präsident gewählt. Hat Ueli Dich persönlich gefragt?
Pascal Jenny:
Ich würde lügen, wenn ich jetzt sage, ich hätte nie SHV-Präsident werden wollen. Ich habe aber grossen Respekt vor dieser neuen Funktion, da ich nach wie vor Aufgaben als Familienvater und im Berufsleben wahrnehmen darf. Ueli hat mich dann informiert, dass er abtreten möchte. Wenn ich nicht übernehmen wolle, müsse er sich nach Alternativen umsehen.
Ulrich Rubeli: 2014 hätte niemand ehrenamtlich Präsident werden wollen. Ab 2018 haben sich die neuen Strukturen durchgesetzt, es gab Kandidaten. Aber für mich war ab dann klar: Wenn es Pascal machen will, dann macht es Pascal.

Was war dein persönliches Highlight in diesen 14.5 Jahren Amtszeit?
Ulrich Rubeli:
Unzählige Erinnerungen! Mir kommen tolle Breitensport-Ereignisse in den Sinn aber auch die Junioren-WM in Argentinien, als die Schweiz mit den Besten mithalten konnte. Nach 2016 häuften sich die sportlichen Highlights. Das wichtigste Ereignis war aber 2013 die Delegiertenversammlung im Zürcher Rathaus, als wir endlich den Zuspruch für die Reorganisation des Verbandes erhielten.

Was glaubst Du, war Uelis Erfolgsrezept, Pascal?
Pascal Jenny
: Durch seine ruhige Art schafft Ueli Vertrauen, dank seinem juristischen Background geniesst er eine hohe Glaubwürdigkeit. Davon profitierte der SHV jahrelang und dadurch wurden grosse Veränderungen überhaupt erst möglich.

Was ist die momentan grösste Herausforderung für den Schweizer Handball?
Pascal Jenny:
Aktuell ist es Corona. Hoffentlich haben wir das bald überstanden. Denn danach ist es die nachhaltige Integration eines Verbandes mit einer grossen Historie in eine sich rasant und wiederholt verändernde Gesellschaft.
Ulrich Rubeli: In Corona-Zeiten können wir fast nur reagieren. Es wird Zeit, dass wir wieder agieren. Ich bin zuversichtlich, dass das bald wieder klappt.

 

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Unter Uelis Ägide fallen die beiden Vergaben der Frauen-EM 2024 und der Männer-EM an die Schweiz. Welches Turnier bringst du nach Hause, Pascal?
Pascal Jenny:
Wir müssen momentan kein Grossturnier in die Schweiz holen, wir haben nun ja zwei. Da setze ich den Fokus übrigens voll auf die Frauen-EM 2024, von der ich mir einiges verspreche. Das Männer-Turnier ist «organisatorisch» noch weit weg.

Bleiben wir bei den Frauen. Es gibt nur wenige internationale Höhepunkte in der Geschichte des Schweizer Frauen-Handballs. Was lief da falsch? Und wie wollt ihr das ändern?
Ulrich Rubeli:
Wir haben das Potential des Frauen-Handballs früh erkannt. Zusammen mit Swiss Olympic habe ich 2008/2009 ein Förder-Projekt vorangetrieben, welches am Geld scheiterte. Allgemein ist das Thema aber danach stiefmütterlich behandelt worden, weil der Verband finanziell und punkto Ressourcen zu schwach war. Nun präsentiert sich die Ausgangslage glücklicherweise anders, es sind mehr Gelder vorhanden. Und der Entscheid der Gründung der Frauen-Akademie in Cham ist für mich der absolut richtige. Nach wie vor gibt es aber nicht viele Vereine, die die Mittel haben, um auch auf den Frauen-Sport setzen zu können. Man darf nicht vergessen: Das Niveau im internationalen Frauen-Handball ist sehr hoch.
Pascal Jenny: Wir haben grosse Hoffnung und grosses Vertrauen in die Akademie, resp. das OYM in Cham. Wir wollen nun aber auch den Fokus darauf setzen, dass mehr Mädchen Handball spielen. Die Nachwuchsarbeit muss besser werden. Da sind wir im Vergleich zu den Top-Nationen noch nirgends – mit der Heim-EM 2024 verfügen wir allerdings über einen chancenbeladenen Steigbügelhalter.

Ueli, Du warst oftmals international unterwegs. Was reizte Dich daran? Und wie willst Du diese Arbeit fortführen, Pascal?
Ulrich Rubeli: Mich reizte, dass man sich in kurzer Zeit grosses Wissen aneignen und viele Verbindungen schaffen konnte. Ein riesiges Privileg! Ich verfügte relativ schnell über gute Kontakte, weil viele Verbände jemanden suchten, der bei IHF und EHF auf oberster Ebene intervenieren und Anstösse geben konnte. Die gleichen Verbände liessen mich teilweise aber auch ins Leere laufen. Der «return on invest» war lange klein. Es ging eine Weile, bis wir zum Beispiel eine reelle Chance auf eine EM- oder WM-Vergabe hatten.
Pascal Jenny: Es gibt viel zu tun in der Schweiz, darauf will ich während meiner Präsidial-Zeit den Fokus legen. Internationale Einsätze werden auch andere Personen aus dem ZV wahrnehmen, das ist so abgesprochen. 

Ihr seid beide ähnlich lange in euren Positionen geblieben. Pascal 14 Jahre in Arosa, Ueli 14.5 Jahre beim SHV. Wie garantiert ihr trotzdem Fortschritt?
Ulrich Rubeli:
Für mich war immer wichtig, dass es im Zentralvorstand Leute mit Ideen gibt. Es muss immer Erneuerungen geben. Der Verband muss vorangehen. Gleichzeitig darf man die Vereine, welche zum grossen Teil ehrenamtlich geführt werden, nicht vergessen. Sie müssen mit den Erneuerungen Schritt halten können. Diesen Spagat zu schaffen, stellt eine Herausforderung dar.
Pascal Jenny: Erneuerungen werden einerseits durch sich änderndes Personal möglich. Andererseits kann mach auch neue Felder besetzen und so Fortschritt anstreben. Zentral ist für mich, dass in einer Gruppe Änderungen stattfinden.

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Ihr habt beide aktiv Handball gespielt. Was hat euch als Spieler ausgezeichnet?
Pascal Jenny: Das müssen eigentlich andere beurteilen. Ich war sicher ein Teamplayer und habe auf dem Flügel meist drei von vier Versuchen verwertet. Ich würde mich also als ziemlich zuverlässig beschreiben, es gab aber sicher bessere Spieler als mich.
Ulrich Rubeli: Ich agierte auf allen Positionen ausser derjenigen des Torhüters, hauptsächlich aber als Kreisläufer und Rückraum Mitte. Überspitzt gesagt: Ich wusste, wo ich hinlaufen sollte, war aber langsam. Das reichte in unteren Ligen noch für bis zu 15 Tore pro Spiel, weiter oben war dann aber Schluss. Mit meiner Aktiv-Karriere, in welcher ich auch Spieler-Trainer war, verbinde ich vor allem aber schöne, verrückte Geschichten.
Pascal Jenny: Auch wenn Ueli nicht auf die ganz grosse Aktiv-Karriere zurückblickt, versteht er extrem viel von Handball. In sportlichen Fragen war sein Rat stets wertvoll. Das kristallisierte sich schon bei unserem ersten Gespräch auf der Autobahnraststätte heraus.

2024 wird der SHV 50 Jahre alt. Was macht ihr zwei dann?
Ulrich Rubeli: Wenn sich eine Gelegenheit ergibt, bin ich in irgendeiner einer Form da sicher dabei.
Pascal Jenny: Das ist ein Geburtstag, den wir zelebrieren wollen. Exponenten wie Ueli, die den Verband geprägt haben, werden da ihren Platz erhalten. Du kannst dir den Termin also in die Agenda eintragen (lacht).

Der Wechsel an der Verbandsspitze steht unmittelbar bevor. Was macht Pascal Jenny am 3. Januar – und was Ueli Rubeli?
Pascal Jenny: Meine Agenda ist am Montag voll mit Terminen in Arosa. Am Abend gehe ich Eishockey spielen. Ich könnte eigentlich ein paar Soft-Handbälle mit aufs Eis bringen. 
Ulrich Rubeli: Ich werde noch zwei, drei «Handball-Telefonate» haben. Ansonsten bin ich geschäftlich ausgebucht.

Abschlussfrage. Was wünschst Du, Ueli, Pascal für seine Amtszeit? Und was wünschst Du, Pascal, Ueli für seine «Handball-Pension»?
Ulrich Rubeli: Ich wünsche Pascal ganz viel Arbeit mit viel Befriedigung und realisierten Erfolgen. Ich bin sicher, er bringt viel auf den Boden und kann seine zahlreichen Ideen umsetzen.
Pascal Jenny: Ich wünsche Ueli an «seinen» Europameisterschaften 2024 und 2028 eine Schweizer Medaille. Gleichzeitig hoffe ich, dass es für ihn ein wenig ruhiger wird. Für den Handball wünsche ich mir aber, dass man auch in Zukunft auf Uelis Wissen und Erfahrungsschatz zurückgreifen kann. Wir werden sicher in Kontakt bleiben! Und: Ich wünsche mir nicht ganz so viel Arbeit, aber umso mehr umgesetzte Ideen.

Quelle: Raphael Bischof (Interview), Muriel Fiechter (Übersetzung)

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