22.04.2021
Obwohl der Traum von der ersten WM-Teilnahme geplatzt ist, scheint die Schweizer Frauen-Nationalmannschaft eine vielversprechende Zukunft vor sich zu haben. Die Nachrichtenagentur Keystone-SDA hat bei Leistungssportchef Ingo Meckes und Torhüterin Manuela Brütsch nachgefragt.
Es wäre für SHV-Leistungssportchef Ingo Meckes eine Sensation gewesen, hätten sich die Schweizerinnen im WM-Playoff gegen die Tschechinnen durchgesetzt, obwohl sie im Hinspiel auswärts ein 27:27 erreicht hatten. Tatsächlich zeigten sich die Osteuropäerinnen am Dienstag in Gümligen verbessert und siegten 28:22. Insbesondere das Unentschieden zeigt jedoch, wie gut sich die Schweizerinnen entwickelt haben. Zwar gehören die Tschechinnen nicht zur absoluten Spitze, an der WM 2017 belegten sie aber den beachtlichen 8. Platz.
Dass die Schweizerinnen der ersten Teilnahme an internationalen Meisterschaften so nah kamen, liegt daran, dass «vor knapp sechs Jahren ein Umdenken stattgefunden hat, der Verband mehr in den Frauenhandball investierte, über alles gesehen einen ordentlichen sechsstelligen Betrag», führt Meckes im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA aus. Damals dümpelte das Frauen-Nationalteam vor sich hin, ohne wirkliche Perspektiven. Deshalb ging der Deutsche zum Zentralvorstand und sagte: «Entweder wir machen etwas Richtiges oder wir lassen es sein.» Es gab für ihn nur diese beiden Möglichkeiten. Er brachte eine Akademie ins Spiel und erhielt grünes Licht.
Eine solche Akademie wurde im vergangenen August im Spitzensportzentrum OYM in Cham eröffnet und umfasst aktuell zehn Spielerinnen mit den Jahrgängen 2003 bis 2005. Die Zahl soll auf 16 erhöht werden, und zwar auf vier Jahrgänge verteilt. Das wäre die Idealvorstellung. Insgesamt wurden vier Standorte evaluiert, «das OYM war das ambitionierteste Projekt, von daher freut es mich umso mehr, dass es realisierbar war», so Meckes. Ein Plus ist für ihn im OYM, dass der Spitzensport unter sich ist, beispielsweise auch der EV Zug dort trainiert. «Das prägt die Spielerinnen zusätzlich. Jedenfalls sind die bisher erzielten Fortschritte immens, gerade im athletischen Bereich führte es zu einem deutlichen Mehrwert.»
Was eine Akademie bewirken kann, dafür ist die Niederlande ein perfektes Beispiel. Dort wurde ab 2006 Gas gegeben, 2015 gewannen die Niederländerinnen WM-Silber, 2019 holten sie gar WM-Gold. «Bei den Frauen ist eine solche Entwicklung schneller und eher möglich als bei den Männern, da dort der Standard sehr hoch ist. Wir trauen uns zu, Richtung Platz 12 in Europa zu kommen, dort konstant den Anschluss zu schaffen», sagt Meckes.
Klar ist, dass ein solch ambitioniertes Ziel nur mit einem Toptrainer erreicht werden kann, der mit Martin Albertsen gefunden wurde. Der 47-jährige Däne ist seit Februar 2018 als Nationaltrainer angestellt und arbeitet seit vergangenem Sommer vollamtlich für den SHV. Albertsen verfügt über eine immense Erfahrung, in der Saison 2003/04 führte er die dänische Equipe Viborg HK zum Meistertitel und zum Triumph im EHF-Cup. Zudem wurde er dreimal deutscher Meister, einmal mit Leipzig (2006) und zweimal mit Bietigheim (2017 und 2019).
«Er hat den Spielerinnen das Spitzensportdenken eingeimpft», sagt Meckes. Das bestätigt Manuela Brütsch, die am Dienstag ihr 145. Länderspiel bestritten hat: «Er sah uns nicht als die kleinen Schweizerinnen, sondern schaute uns als Profi-Sportlerinnen an. Er fordert sehr viel von uns und dies rigoros. Früher war es so, dass, überspitzt formuliert, jede zum Nationalteam gekommen ist, wenn sie gerade Lust dazu hatte. Das gibt es nun nicht mehr, entweder voll oder gar nicht. Er zeigte uns auf, dass es von jeder Einzelnen deutlich mehr braucht, das war extrem wichtig.»
Die 37-jährige Brütsch spielt seit 2011 in Deutschland. Den Schritt ins Ausland empfiehlt sie jeder Spielerin, auch weil es in der Schweiz mit dem LC Brühl, den Spono Eagles und Zug nur drei Teams gibt, die höheren Ansprüchen genügen, dahinter klafft eine Lücke. «Unsere Topspielerinnen sind technisch sehr gut ausgebildet, diesbezüglich stehen sie den deutschen Spielerinnen in nichts nach. Der Unterschied ist die Härte, das Tempo, die Physis, die nur im Ausland geholt werden können», erklärt Brütsch.
Ihrem Rat sind einige gefolgt, sechs der 18 für das WM-Playoff aufgebotenen Spielerinnen sind in Deutschland oder Frankreich tätig. Ausserdem ist die Mannschaft sehr jung: Die Hälfte weist Jahrgang 2000 und jünger auf, zwei davon sind in der Akademie. Die Perspektiven sind also vielversprechend oder wie es Meckes ausdrückt: «Wir haben ein Team, das über die Jahre wachsen kann und es kommen Talente nach, die den älteren den Platz streitig machen. Das ist eine super Voraussetzung, um Erfolg zu haben.»
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