Nationalteam Männer • 17.01.2023
Turnier-Sieg am Yellow Cup und Testspiel-Niederlage in Bregenz, aber vor allem viele gemeinsame Trainings. Nationaltrainer Michael Suter zieht nach den beiden Nati-Wochen zum Jahresbeginn Bilanz und blickt optimistisch auf die anstehende EM-Qualifikation.
Maske, tägliche Tests, Abschottung von den Fans, Yellow-Cup-Absage. Noch vor einem Jahr dominierte Corona den Schweizer Handball. Michael Suter, eine Wohltat auch für dich und deine Aufgaben als Nati-Trainer, dass die Pandemie nun zum ersten Mal seit langem keine Rolle mehr spielte?
Michael Suter: Es ist eine grosse Befreiung, vor allem auch für die Spieler. Die Angst krank zu werden sowie sämtliche Corona-Sicherheitsmassnahmen stellten eine spezielle Situation dar. Die Spieler haben das aber stets klaglos und professionell hingenommen. Als Mannschaft hat uns das sicher auch zusammengeschweisst. Was aber heute noch schmerzt, sind die beiden Yellow-Cup-Absagen 2021 und 2022. Und uns fehlten die gemeinsamen Trainings und vor allem Testspiele.
Nun hattest Du und die Mannschaft zum Jahresauftakt endlich wieder sechs Trainingstage und vier Testspiele. Wie fällt dein Gesamtfazit aus?
Michael Suter: Für diesen Umstand sind wir sehr dankbar. Einziger Wermutstropfen war, dass uns Nikola Portner und Luka Maros nicht zur Verfügung standen. Ansonsten waren wir komplett und konnten die Zeit ideal nutzen. In den Trainings übten wir neue Formationen ein und brachten Sicherheit rein. Wir haben viele Junge in diese neuen Formationen integriert. Zehn Spieler sind 23-jährig oder jünger. Man darf nicht vergessen, wie sehr sich diese Mannschaft in den letzten drei Jahren verändert hat.
Anm., die Red.: Beim Sieg am 48. Yellow Cup im Januar 2020 in Winterthur waren acht Spieler dabei, die mittlerweile alle ihren (Nati)-Rücktritt gegeben haben: Aurel Bringolf, Lukas von Deschwanden, Kevin Jud, Alen Milosevic, Philip Novak, Roman Sidorowicz, Michal Svajlen und Nik Tominec.
Sprechen wir über die spezielle Goalie-Situation am Yellow Cup. Du warst zu viel Improvisation gezwungen.
Michael Suter: Nach der Verletzung von Nikola Portner haben wir aus der Not eine Tugend gemacht: Leonard Grazioli fungierte zum ersten Mal als Nummer 1, Mathieu Seravalli und Jannis Scheidiger erhielten konsequenterweise ein Nati-Aufgebot. Die beiden haben sich in den regelmässig stattfindenden Fördertrainings in den vergangenen anderthalb Jahren stetig verbessert und haben sich ihre Nomination verdient – auch wenn sie sehr überrascht waren (lacht). Das sind schöne Momente. Beide zeigten in Winterthur einige Parden und nehmen Erfahrungen mit, die man in keinem Training simulieren kann. Für mich stand nach der Verletzung von Nikola Portner nie zur Debatte, einen routinierten Torhüter auszugraben.
Das Goalie-Team unter der Leitung von Jasmin Camdzic hat allgemein einen guten Job gemacht, sein Einfluss ist bereits spürbar. Überdies blieb Nikola Portner den ganzen Lehrgang über beim Team und unterstützte die jungen Torhüter. Das ist keine Selbstverständlichkeit.
Neben Seravalli und Scheidiger hat mit Sadok Ben Romdhane ein dritter junger Spieler sein Debüt in der A-Nationalmannschaft gegeben. Wie beurteilst Du seine Leistung?
Michael Suter: Sadok ist einer der talentiertesten Linkshänder im Land und besonders in den ersten beiden Spielen am Yellow Cup hat er einen frechen Auftritt hingelegt. Das gefällt. Nun muss er körperlich noch zulegen und konstanter werden. Dann kann er auch in der Defensive einen grösseren Part übernehmen und wir müssen weniger wechseln, wie das heutzutage üblich ist.
Auffallend in Winterthur war, dass Du oft einen Blockwechsel vorgenommen hast. Sehen wir diese Blöcke auch wieder in der EM-Qualifikation?
Michael Suter: Als Nationaltrainer muss man prinzipielle Entscheidungen schon nach wenigen Trainings treffen. Wir könnten sämtliche Formationen stets durchmischen. Wir haben uns nun aber entschieden, gewisse Blöcke für den Yellow Cup zu pushen. Das hat teilweise schon gut funktioniert und einige Formationen werden wir auch für die im März anstehenden EM-Qualifikationsspiele beibehalten. Die Rollen sind geklärt. Und im modernen Handball genügen sechs oder sieben Akteure, die durchspielen, nicht mehr. Wir brauchen mehr als einen Block – und Flexibilität. Denn es wird in der EM-Qualifikation auch Situationen geben, die wir im Training nicht simulieren können.
Es spielen nun schon einige junge Nationalspieler in der Bundesliga. Ändert das bei den Zusammenzügen der Nationalmannschaft etwas? Inwiefern profitieren die «Schweizer» Spieler?
Michael Suter: Alle unsere Bundesliga-Spieler erleben nun täglich Profi-Handball. Das hat nichts mehr mit der Nationalmannschaft von 2016 zu tun. Vieles ist nun anders: Der Umgang miteinander, der Tagesablauf oder wie ein Training gestaltet wird. Diese Erfahrungswerte bringen die Bundesliga-Akteure mit in einen Lehrgang und das kriegen auch unsere Jungen mit. Ihnen wird vor Augen geführt, dass auch sie es schaffen können. Und es gibt noch einige junge Schweizer, die den Schritt in die QHL und ins Ausland machen wollen. Wir sind mit unserer Arbeit auf einem guten Weg, das Ausbildungskonstrukt greift vom Rookies Label, über die regionalen Leistungszentren bis zum Akademiekonzept.
Anm., die Red.: Vergangenen Sommer wechselten mit Samuel Zehnder, Jonas Schelker und Max Gerbl (Suisse Handball Academy), sowie Manuel Zehnder und Leonard Grazioli (regionales Leistungszentrum Nordwestschweiz, HSC Suhr Aarau) gleich fünf junge Nationalspieler von der QHL in die Bundesliga.
Die Hürde im März mit den zwei Ungarn-Spielen wird ungleich grösser. Wo muss sich deine Mannschaft noch steigern?
Michael Suter: Mit Routine und Erfahrung gewinnst du Spiele. Diesbezüglich haben wir am Yellow Cup wieder einen Schritt gemacht. Ungarn ist jedoch Favorit, schaut man nun auch ihre Auftritte an der WM an. Es wird aber Phasen geben, in welchen wir mithalten werden. Diese Phasen, dieses Tempo müssen wir möglichst lange halten – wenn möglich in diversen Formationen. Wir sprechen hier vom Niveau wie in der Champions League. Wir werden sehen, wie weit wir schon mithalten können. Die Mannschaft ist heiss auf den Challenge.
Warum schafft die Schweiz die EM-Qualifikation in diesem Frühling?
Micheal Suter: Punktemässig sind wir gut gestartet, die Siege über Georgien und Litauen hätten höher ausfallen müssen, da wir in beiden Partien komfortabel in Führung lagen. Unser spielerisches Potential haben wir aber noch nicht ganz ausgeschöpft, wobei die ersten 40 Minuten gegen Litauen etwas vom besten der vergangenen Jahre war. Wir waren plus 8 vorne und hatten einen freien Ball auf eine 9-Tore-Führung. Das zeigt, dass wir auch einiges richtig gemacht haben. Mit dem Turniersieg am Yellow Cup haben wir nun noch zusätzlichen Drive hineingebracht. Überdies gelang es uns mit dem «Final-Sieg» über Österreich schon zum dritten Mal in Serie eine entscheidende Partie mit einem Tor Unterschied zu gewinnen. Das ist wichtig für die Entwicklung einer Mannschaft. So kommen wir von den ehrenvollen Niederlagen früherer Jahre weg. In den beiden Spielen gegen Ungarn im März versuchen wir ein unangenehmer Aussenseiter zu sein. Ende April wollen wir den Sack spätestens zu machen.
Die Weltmeisterschaft ist seit einigen Tagen in vollem Gange. Wie verfolgst du das Turnier?
Michael Suter: Ich verfolge die WM intensiv und beobachte mit grosser Aufmerksamkeit Spielstile und Entwicklungen vor allem von den Top-Teams. Bezüglich der Taktiken erwarte ich aber keine grosse Neuerungen, sondern eher eine Verfestigung der bisherigen Spielweisen. Auch bin ich auf die Leistungen von Nationen gespannt, die eine Überraschung schaffen könnten – und wie lange sie das hohe Niveau halten.
Wer wird Weltmeister?
Michael Suter: Prognosen sind schwierig. Einer der üblichen Verdächtigen aus dem Trio Dänemark, Frankreich und Spanien.
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