21.01.2010
Nach der erfolgreichen WM-Quali sahen sich die Schweizer Handballer in Zypern mit unerwarteten Herausforderungen konfrontiert. Als der Flieger mit 24 Stunden Verspätung doch noch abhob, hatten die Nationalspieler eine Komödie sondergleichen hinter sich. Ein Bericht über die Heimreise, welche die SHV-Auswahl wohl nicht so rasch vergessen wird.
Nach der erfolgreichen WM-Quali sahen sich die Schweizer Handballer in Zypern mit unerwarteten Herausforderungen konfrontiert. Als der Flieger mit 24 Stunden Verspätung doch noch abhob, hatten die Nationalspieler eine Komödie sondergleichen hinter sich. Ein Bericht über die Heimreise, welche die SHV-Auswahl wohl nicht so rasch vergessen wird.
Die Stärke des Zyprioten ist nicht die Organisation. Schon eher die Improvisation. Aber manchmal auch keines von Beidem. Diese Erfahrung hat die Schweizer Handball-Nationalmannschaft am vergangenen Wochenende in Zypern gemacht. Während sich aber die Herausforderungen vor und während des Turniers in einigermassen erwarteten Grenzen hielten (zu wenig Hotelzimmer, überteuerter Trikot-Wäsche-Service, überfüllte Team-Busse), wurde die Heimreise am Montag zu einem Spiessrutenlauf sondergleichen. Immerhin: Die SHV-Auswahl nahm die ganze Angelegenheit mit der richtigen Einstellung, liess sich (fast) nicht aus der Ruhe bringen und kam so gratis zu einem wertvollen Teambildungs-Anlass, der im Hinblick auf die Zukunft sogar seine positiven Seiten haben könnte.
Salami-Taktik des Flughafen-Personals
Bis am Montagnachmittag um 15.30 Uhr lief soweit alles nach Plan. Dann hätten die erfolgreichen Schweizer Handballer gemäss Plan für die Rückreise ins Flugzeug steigen sollen. Doch das Gate blieb geschlossen. Die Lautsprecher-Durchsage gab eine Verspätung von zehn Minuten aufgrund technischer Probleme bekannt. So weit kein Problem. Als dann aber aus den angekündigten zehn ganze dreissig Minuten wurden, und weitere dreissig Minuten Verspätung angekündigt wurden, begann das grosse Rechnen. Würde es sich mit dem Anschlussflug in Wien noch ausgehen? Und das Rätseln ging weiter. Mit einer ausgeklügelten Salami-Taktik gab das Flughafen-Personal im 30-Minuten-Takt bekannt, dass in 30 Minuten die nächsten Informationen bekanntgegeben würden.
Grosszügigkeit auf Zypriotisch
So zogen die Minuten und Stunden durchs Land, und als um 18 Uhr (zwei Stunden nach der ursprünglichen Abflugzeit) die mittlerweile vertraute Melodie die nächste Durchsage ankündigte, waren alle noch voller Hoffnung, dass es bald losgehen könnte. Doch anstatt eine neue Abflugzeit anzugeben, kam diesmal etwas Neues: «An die Passagiere des Austrian-Airways-Flugs nach Wien: Bitte holen Sie am Gate ihre Essens-Gutscheine ab.» Immerhin, dachte man sich, wenigstens wird für uns gesorgt. Oder doch nicht? Jeder Passagier erhielt einen Gutschein über 3,50 Euro, was nicht mal reichte, um ein Stück Pizza Margherita zu erstehen. Grosszügigkeit auf Zypriotisch eben.
Das Werk des weissrussischen Trainers?
Eine weitere Stunde verging, ehe sich das Flughafen-Personal wieder der anfänglichen Salami-Taktik erinnerte und mit 21 Uhr eine neue Abflugzeit bekanntgab. Das war doch mal was. Blieben also noch zwei Stunden. Doch was tun mit der Zeit? Wie wäre es mit einem Handball-Spiel? Schliesslich waren neben der SHV-Auswahl auch die weissrussische Nationalmannschaft und die kroatischen Schiedsrichter am Flughafen blockiert. Die Idee wurde aber wieder verworfen. Viel hartnäckiger hielt sich dagegen das Gerücht, die Crew um den weissrussischen Trainer Juri Schewzow hätte die ganze Sache eingefädelt, um den wütenden Verbandsbossen nach dem enttäuschenden dritten Schlussrang nicht entgegentreten zu müssen. Eine Bestätigung dafür blieb bis heute aber ebenfalls aus.
Wiener-Walzer geht auf den Wecker
Schliesslich wurde es 20.30 Uhr, und das Boarding begann tatsächlich noch. Der Anschlussflug war zwar längst verpasst, aber immerhin nach Wien würden es die Handballer also noch schaffen. Endlich rein ins Flugzeug und ab nach Norden. «Wir werden in rund zehn Minuten unsere Position verlassen und die Heimreise antreten», sagte der österreichische Pilot. Offenbar hatte er aber zypriotische Wurzeln: Auch er bediente sich der nun bereits bestens bekannten Salami-Taktik. Aus zehn Minuten wurden wieder dreissig, und dann wurden die Passagiere erneut vertröstet. Aus den Lautsprechern dudelte die ganze Zeit der Wiener-Walzer, der einem mit der Zeit ganz schön auf den Wecker gehen kann. Nach einer Stunde im Flugzeug dann die letzte aller Durchsagen: «Meine Damen und Herren, ich habe jetzt leider keine guten Nachrichten. Wir warten immer noch auf die Freigabe des Technikers und werden heute nicht mehr fliegen können.» Dann wieder Wiener-Walzer. Und dann noch die Ergänzung: «Selbstverständlich laden wir auch ihr Gepäck wieder aus.»
Rauchende Italiener verlieren die Nerven
Letzteres schien dann aber doch nicht so einfach. Nach der erneuten Einreise durch den zypriotischen Zoll – im Gegensatz zu den Weissrussen brauchten die Schweizer dafür wenigstens kein neues Visum – setzte sich die Warterei in der Gepäckausgabe fort. Die Zeit verging, und Koffer waren keine in Sicht. Auch nach einer Stunde noch nicht. Einer Gruppe von Italienern war dies nun zu viel, weshalb sie sich verbotenerweise eine Zigarette anzündeten. Der Aufseherin gefiel dies aber überhaupt nicht, und sie rief deswegen die Polizei. Zehn Minuten später trabte diese dann tatsächlich an und machte die Raucher ausfindig. Es bildete sich eine Menschentraube, und einer der Italiener verlor nun endgültig die Nerven. Er schrie den Polizisten mit wunderbarem italienischen Akzent auf Englisch an: «Wir warten jetzt seit Stunden. Nichts zu essen. Nichts zu trinken. Keine Informationen. Wo ist unser Gepäck?» Er beendete seine brandende Rede mit hochrotem Kopf und den Worten «This is Europa, not Africa!» und erntete dafür tosenden Applaus aller Anwesenden. Der Polizist war plötzlich ganz klein und zog unverrichteter Dinge von dannen.
Mitternachts-Imbiss im McDonalds
Es vergingen weitere 30 Minuten, ehe sich das Gepäckausgabeband unverhofft doch noch in Bewegung setzte. Die Passagiere wurden darauf in Busse verfrachtet und in die Hafenstadt Larnaca gefahren. An der Strandpromenade fand sich tatsächlich ein Hotel für die gestrandeten Personen. Das Touristen-Silo, das seine besten Jahre schon längst hinter sich hat, war zwar (überraschenderweise) nicht gross genug. Doch dank dem heroischen Einsatz des Schweizer Teammanagers Kurt Widmer und des A-Nati-Chefs Daniel Zobrist erhielten alle Schweizer darin ein Zimmer. Die Weissrussen hingegen wurden mal wieder vertröstet und zottelten ab. Auch für sie fand sich dann aber noch eine Bleibe. Zum Abschluss des Tages trafen sich nach Mitternacht noch einmal alle Passagiere, und zwar im McDonalds. Es war das einzige «Restaurant», das sich um diese Zeit noch finden liess. Im Hotel gab es – ebenfalls völlig überraschend – nichts mehr zu essen. Immerhin gab es neue Informationen: Der Flug sollte am nächsten Tag um 11 Uhr starten.
Diesmal zehn Euro für acht Stunden
So wurde es Dienstag, und nach dem Frühstück in einem sehr sympathischen Hotel-Restaurant wurden wieder alle an den Flughafen gefahren. Schon vor dem Einchecken um 9 Uhr kam aber die nächste schlechte Nachricht: Der Flug wurde bereits wieder auf 16 Uhr verschoben. Der Flughafen erwies sich als wesentlich grosszügiger und verteilte diesmal 10-Euro-Gutscheine. Aber für einen ganzen Tag am Flughafen war auch das nicht besonders viel. Die Schweizer, die sich mittlerweile wie Tom Hanks im Hollywood-Film «Terminal» vorkamen, vertrieben sich also erneut die Zeit.
Weitere Ehrenrunde im Flugzeug
Irgendwann wurde es Nachmittag und die Passagiere durften wieder in den Flieger. Zweiter Versuch also. Aber besonders weit kam die SHV-Auswahl auch diesmal nicht. Auf dem Weg zur Startbahn traten technische Probleme am Triebwerk auf. Also wieder zurück zum Terminal. Immerhin konnte die Störung diesmal relativ schnell behoben werden. Rund eine Stunde nach Plan hob der Flieger schliesslich doch noch ab. Es sollte das letzte Problem auf der Heimreise bleiben. Um 21.30 Uhr am Dienstagabend traf die Nationalmannschaft dann wieder in Zürich ein. Mit 24 Stunden Verspätung, einer gewissen Müdigkeit und vor allem einer neuen Lebenserfahrung.
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