Schweizer Kurskorrektur und Aufräumarbeiten in Slowenien

30.10.2013

In Slowenien startet heute Mittwochabend (20 Uhr, Velenje) die umformierte Schweizer Handball-Nationalmannschaft zu einem ambitionierten Projekt. Am Ende der WM-Ausscheidung soll primär der Fortschritt stehen. Die neue Trainer-Crew will den jahrelangen Stillstand beenden.

1995 gehörten die SHV-Vertreter letztmals zum Teilnehmerfeld einer WM. Neun weitere Turniere seit jenem Gastspiel in Island verpassten sie ausnahmslos. Ein Ende dieser Serie ist mittelfristig nicht in Sicht. Die Prognosen vor dem Start zur nächsten Qualifikation sind eher ungünstig. In jüngster Vergangenheit ist das eigentliche Flaggschiff des Verbandes komplett abgedriftet. Eine markante Kurskorrektur hat der SHV zwar schon im Sommer eingeleitet und an allen strategisch wichtigen Stellen Zeichen gesetzt, mit einer sofortigen Trendwende nicht zu rechnen.  

Für die nötigen Umbauarbeiten benötigen die Entscheidungsträger Zeit. Die Spuren des jahrelangen Stillstands und Rückfalls an den Rand zur Drittklassigkeit sind nicht innerhalb von wenigen Wochen oder Monaten zu beseitigen. Der Aufbruch erfolgt quasi vom Nullpunkt aus, nur einer von 28 europäischen Nicht-WM-Teilnehmern (Rumänien) reihte sich in der vergangenen EM-Ausscheidung hinter den Schweizern ein. Der (utopische) Vorstoss an die Endrunde 2015 in Katar wird von den Beteiligten nicht ernsthaft thematisiert.  

Die beschlossene Umstrukturierung in der Nationalmannschaft ist lediglich ein erster Schritt in die richtige Richtung. Mit der Trennung von Goran Perkovac (inzwischen bei Minden tätig) kam Bewegung in die verkrustete Angelegenheit. Rolf Brack, dem charismatischen Nachfolger und anerkannten Ausbildner aus Deutschland, ist durchaus zuzutrauen, das schlingernde Team aus der Versenkung zu führen und den talentierten Nachwuchs mit dem richtigen Timing zu forcieren.

Brack derzeit absorbiert
Beim ersten Versuch, das ramponierte Image aufzubessern, müssen die Schweizer aber noch ohne ihren designierten Chef-Strategen auskommen. Der Stuttgarter Uni-Privatdozent steht im Herbst gegen Slowenien im Heimspiel gegen Luxemburg wie geplant nur nebenamtlich zur Verfügung. Bis zum 26. Dezember kümmert sich der bald 60-Jährige primär um den Bundesligisten Balingen-Weilstetten. Erst im Rahmen des Yellow-Cups greift Brack erstmals vollumfänglich ein und wird nach dem Jahreswechsel das Coaching der restlichen vier Partien übernehmen.

Brack stattete der SHV-Delegation am Sonntag in Kloten einen kurzen Besuch ab. Er tauschte sich während ein paar Stunden mit der Teamführung und mehreren Schlüsselspielern aus. "Ich machte eine kurze Ansage und habe sie auf das Spiel des Jahres eingeschworen", übermittelt er aus Deutschland. Er wünsche sich, dass "trotz des übermächtigen Gegners bereits etwas von der Aufbruchstimmung zu spüren ist". Der Fortschritt steht momentan im Vordergrund, nicht das blanke, aller Voraussicht nach negative Resultat.

Mehr direkten Einfluss nahm er nicht, weil ihm schlicht die Zeit fehlte. Dass Balingen nach elf Runden mitten im Bundesliga-Abstiegskampf - notabene gegen Perkovacs Verein Minden - steckt, vereinfacht die Lage nicht. Das sei ungünstig und so natürlich nicht geplant gewesen, bedauert Brack: "Ich wollte die Schweizer Mannschaft noch etwas intensiver begleiten. Mit den Problemen in der Bundesliga habe ich in dieser Form nicht gerechnet."

Hrachovecs Überzeugung
In Velenje trägt das Winterthurer Trainer-Duo Adrian Brüngger und Petr Hrachovec die Verantwortung. Die beiden Pfader haben in Absprache mit Brack während der relativ knapp bemessenen Vorbereitungszeit insbesondere den Teambildungsprozess intensiviert und intern klar vermittelt, wer welche Rolle zu spielen hat. In diesem Bereich ortete das zur Unterstützung von Brack geschaffene "Kompetenzteam" grundlegende Defizite.

Man habe in den wenigen Zusammenzügen seit dem öffentlich kommunizierten Neustart zunächst einmal die "Basics" schaffen müssen, um überhaupt in die Nähe des Optimums gelangen zu können, so Brüngger. Das Ausmass der Desorientierung ist offenbar wesentlich grösser als zunächst befürchtet - das ist anhand der kritischen Voten aus dem neu bestückten Umfeld des Teams spürbar. Der Spielraum für taktische Anpassungen ist momentan gering, die Aufräumarbeiten an den anderen Fronten beanspruchen (noch) zu viel Energie.  

Von in der aktuellen Situation mutmasslich eher sinnlosen Resultat-Vorgaben sehen Bracks Stellvertreter in Slowenien ab. Sie wünschen sich stattdessen ein kräftiges Lebenszeichen, eine ansprechende Performance, die alle bestärken würde, den richtigen Pfad eingeschlagen zu haben. "Aber wir benötigen Geduld. Die Strategie, gute Junioren in das Team zu integrieren, wird sich irgendwann lohnen", ist Hrachovec überzeugt.     

Die Klasse der Slowenen   
Auf einem komplett anderen Niveau als die seit bald einer Dekade notorisch erfolglosen Schweizer bewegen sich die Slowenen. In der Gruppe 3 mit der Schweiz, der Ukraine und dem krassen Aussenseiter Luxemburg nimmt "Rokometna Zveza Slovenije" eine Sonderposition ein. Die Mannschaft von Trainer Boris Denic ist im Ranking der europäischen Qualifikanten am höchsten einzustufen. "Slowenien ist der klare Favorit und müsste diese Gruppe klar dominieren", legt Hrachovec den Status der Adria-Republik ohne Zögern fest.  

Anfang Jahr stürmten die Slowenen an der WM in den Halbfinal und wurden erst vom nachmaligen Titelträger Spanien gestoppt. Weil der WM-Vierte in der EM-Ausscheidung wegen zwei Treffern Unterschied an Island scheiterte, hat er nun einen Umweg zu bewältigen. Denic, der im Klub-Alltag den weissrussischen CL-Teilnehmer Dynamo Minsk, greift gemessen an der tiefen Einwohnerzahl des Balkan-Staats (rund zwei Millionen) auf verblüffend umfangreiche Personalressourcen zurück. Ihm steht eine Reihe von Stars aus erstklassigen Ligen Europas zur Verfügung.

Die überdurchschnittliche Qualität steht für den Schweizer Coach Hrachovec ausser Frage: "Auf jeder Position ist diese Top-Mannschaft doppelt und dreifach besetzt." Für das Ensemble mit Professionals aus den besten Ligen Europas wäre alles andere als die Teilnahme am WM-Playoff im nächsten Juni ein veritables Debakel. In den Überlegungen dieser ausgesprochenen Handball-Nation, die 2004 mit dem Champions-League-Triumph von Celje kräftig für Schlagzeilen sorgte, nimmt der neu formierte Kontrahent aus der Schweiz nur eine Nebenrolle ein.
Source: Sven Schoch, Sportinformation (si)

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