Brunner/Salah: «Bei der Marseillaise bekamen wir Gänsehaut»

17.02.2017

Die Schweizer Schiedsrichter Arthur Brunner und Morad Salah haben an der WM-Endrunde in Frankreich mit starken Leistungen auf sich aufmerksam gemacht. Im Rahmen der Week of the Referee blicken sie noch einmal zurück auf das grosse Turnier. Das Ostschweizer Schiedsrichterduo erzählt im Interview vom Gänsehautmoment, der Polizeieskorte und den Olympischen Spielen.
 


 
Arthur Brunner und Morad Salah, von ursprünglich sechzehn Schiedsrichtergespannen der Handball-WM habt ihr den Sprung unter die besten sechs geschafft. Habt ihr vom Final geträumt?
Arthur Brunner: Eines vorweg: Wir hätten nie damit gerechnet, in Frankreich bis zum Ende dabei zu sein. Die Leistungsdichte auf diesem Niveau ist hoch, und für die WM waren von Anfang an nur absolute Top-Paare nominiert. Daher war es für uns schon eine grosse Ehre, für Frankreich nominiert zu sein. Dass wir schliesslich bis zum Schluss mit den Top-Paaren bleiben durften, war ein Traum. Und klar: Wer träumt nicht vom Final. Realistischerweise kamen wir aber nicht mehr zum Einsatz. Noch gilt es, ein wenig Erfahrung zu sammeln.

Warum habt ihr den Cut überstanden?
Morad Salah: Weil wir in jedem unserer Spiele gute Leistungen gezeigt haben und weil der Weltverband in erster Linie auf das Leistungsprinzip setzt. Aber es spielt natürlich auch immer eine Rolle, welche Nationen sich für die Halbfinals an einer WM qualifizieren. Nachdem Deutschland, Dänemark und Spanien in den Achtel- oder Viertelfinals ausgeschieden sind, hatten die Kollegen aus diesen Ländern bessere Chancen, länger in Frankreich zu bleiben. Zudem wird im Handball immer darauf geachtet, dass die Schiedsrichter „geografisch“ nicht zu nahe an den Spielern sind.

Hierzulande war die Handball-WM in Frankreich kein allzu grosses Thema. Wie habt ihr das Grossturnier erlebt?
Morad Salah: Es war von A bis Z ein riesiges Spektakel. Bereits vor Beginn der WM wurde der Arc de Triomphe in Paris als Projektionsfläche für einen Film genutzt, der die gastgebenden Städte und die Mannschaften präsentierte. In Nantes hatten wir das Glück, in der Vorrundengruppe des Gastgebers zu pfeifen. Dementsprechend waren alle Partien sehr gut besucht. In der Halle waren so bei jedem Spiel mehr als 6'500 Fans. Wenn Gastgeber Frankreich spielte, waren es gar 10'500 Besucher. Da wir uns solch hohe Zuschauerzahlen in der Schweiz nicht gewohnt sind, waren die Begegnungen zwischen Japan und Frankreich sowie Frankreich und Polen mitunter unsere Höhepunkte. Ausserdem war das Halbfinale mit Frankreich in Paris vor über 15'000 mehrheitlich französischen Zuschauern sehr eindrücklich. Als die Marseillaise vor dem Spiel gesungen wurde, bekam ich Gänsehaut.

Was war aus Schiedsrichter-Sicht das grösste Highlight?
Morad Salah: Unser grösstes Highlight waren einerseits die Spiele mit französischer Beteiligung. Zum anderen das Achtelfinale zwischen Spanien und Brasilien, in dem sich Spanien mit nur einem Tor Unterschied durchsetzen konnte. Brasilien lag das ganze Spiel in Front und drängte den Favoriten Spanien an den Rand einer Niederlage. Das Spiel war sehr emotional und hart geführt. Wir wurden als Schiedsrichter richtig stark gefordert.

Wie habt ihr von den Einsätzen an der WM profitiert?
Arthur Brunner: Persönlich haben wir enorm viel dazu gelernt. Der öffentliche Druck an einer WM ist nicht vergleichbar mit dem Druck in der Schweizer Liga. Insofern war die WM eine wertvolle Erfahrung. Aber auch technisch haben wir dazu gelernt. An einer solchen Endrunde pfeift man als Schiedsrichter nicht einfach nur ein paar Spiele, sondern man bereitet sie vor und analysiert nach der Begegnung mit den technischen Delegierten die entscheidenden Spielszenen. Von den erfahrenen Referee-Duos und den technischen Delegierten unserer Gruppe haben wir sehr viel profitiert. Nun werden wir weiter hart an uns arbeiten, um unsere Art, Spiele zu leiten, weiter zu verbessern.
Morad Salah: Für mich persönlich war es absolut genial, mit meinen persönlichen Vorbildern, den Dänen Mads Hansen und Martin Gjeding, zusammenzuarbeiten. Sie waren bereits zu Beginn unserer Schiedsrichterkarriere auf Top-Niveau und haben unsere Spielleitung entscheidend mitgeprägt.

Welches Erlebnis werdet ihr ausserhalb des Spielfeldes in Erinnerung behalten?
Morad Salah: Da das Sicherheitsdispositiv an der WM enorm war, wurden wir jeweils von der Polizei eskortiert und unter Blaulichteinsatz zur Halle gebracht. So konnten wir beispielsweise auf der Autobahn neben den stehenden Kolonnen einfach auf dem Pannenstreifen vorbeifahren.

Die NLA ist bereits wieder gestartet. Wie schafft ihr die Umstellung auf den Ligaalltag?
Arthur Brunner: Da es bei uns nach der WM ohne Unterbruch weiter ging, sind wir gar nicht erst aus dem Rhythmus gekommen. So haben wir bereits das Cup-Halbfinale zwischen Wacker Thun und den Kadetten Schaffhausen geleitet. Zusätzlich werden wir uns wie immer per Videostudium auf die Spiele in der NLA vorbereiten. Die Umstellung war für uns daher kein Problem.

Welches ist nun euer nächstes Ziel als Schiedsrichterduo?
Morad Salah: Einerseits, uns in Europa auf der höchsten Stufe (Champions League) zu etablieren und andererseits, gute Leistungen in allen Wettbewerben (Schweiz, EHF, IHF) zu erbringen. Weiter ist uns wichtig, dass wir uns stetig verbessern und weiterentwickeln. Die gesammelten Erfahrungen in Frankreich werden wir längerfristig in unsere Schiedsrichtertätigkeit einfliessen lassen und gezielter an einzelnen Themen arbeiten, wie beispielsweise das Auftreten, das Verkaufen von Entscheidungen, die Kommunikation, die Körpersprache, das Blickverhalten, die Raumaufteilung oder das Positionsverhalten. Und natürlich wollen wir uns für kommende Grossanlässe empfehlen. Eines unserer Fernziele ist es, die Olympischen Spiele 2020 in Tokyo als Schiedsrichter miterleben zu dürfen.

Source: Alexandra Pavlovic (St. Galler Tagblatt)

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