SPAR Premium League • 23.11.2017
Kristina Ertl tritt in grosse Fussstapfen. Die 31-jährige ist die erste Cheftrainerin in der SPAR Premium League seitdem Vroni Keller 2015 bei Rekordmeister LC Brühl zurückgetreten ist. Der HSC Kreuzlingen setzt auf das Fachwissen und die Motivationskünste der ausgebildeten Lehrerin, die erst vor wenigen Monaten ihre Spielerkarriere beendete. Im Interview spricht Kristina Ertl über ihre ersten Erfahrungen als SPL1-Trainerin, sie berichtet von ihrer Philosophie und nennt den Fahrplan des Clubs und ihre persönlichen Ziele als Trainerin.
handball.ch: Warst du überrascht, als die Verantwortlichen des HSC Kreuzlingen dir das Traineramt der SPL1-Mannschaft angeboten hat?
Kristina Ertl: Ja, ich war schon ein bisschen überrascht und dachte im ersten Moment, dass es zu früh kommt. Andererseits habe ich schon seit vier Jahren gelegentlich Trainingseinheiten bei der Mannschaft übernommen und war daher schon immer mal wieder kurzzeitig in der Rolle. Ich habe mich aber auch sehr gefreut, dass der Club auf mich zugekommen ist.
Wie lange hast du darüber nachgedacht, bevor du dich entschieden hast die Aufgabe anzunehmen und was gab den Ausschlag?
Kristina Ertl: Der direkte Übergang von der Spielerin zur Trainerin ist schwierig, gerade auch weil ich letzte Saison noch in der gleichen Mannschaft gespielt habe. Deshalb habe ich länger darüber nachgedacht und mich auch mit einigen Personen aus meinem Umfeld unterhalten. Letztendlich den Ausschlag gab die grosse Unterstützung, die ich im Verein erfahren habe. Ganz viele Leute haben mir ihre Hilfe angeboten, was für mich auch wichtig war, da ich parallel meine A-Lizenz Trainerausbildung absolviere.
Du wechselst ziemlich nahtlos von der aktiven Spielerin hinüber auf die Trainerbank. Welche Vor- aber auch welche Nachteile hat das deiner Meinung nach?
Kristina Ertl: Für die Spielerinnen hat es den Vorteil, dass ich noch ziemlich nahe an ihnen dran bin und deshalb weiss, was in der Vorbereitung und im Training Spass macht und was sie eher als ätzend empfinden. Klar, es muss auch mal intensiv und anstrengend sein, aber das Gespür, wie und wann die Mannschaft unterschiedliche Reize braucht, kann ich dadurch ganz gut abschätzen. Ein Nachteil für die Spielerinnen ist sicherlich, dass ich alle Tricks beim Lauf- und Krafttraining kenne, so dass sie sich nur schwer darum drücken können. (lacht) Als Vor- und Nachteil sehe ich die Tatsache, dass viele Spielerinnen meine Freundinnen sind und ich sie gut kenne und einschätzen kann, wie die Stimmung gerade ist. Dennoch musste ich vor der Saison hierbei schon einen klaren Cut machen und mich abgrenzen.
Wie hast du diese Abgrenzung durchgesetzt?
Kristina Ertl: Ich habe mich bewusst aus allem herausgezogen, was innerhalb der Mannschaft stattfand. Bei Ausflügen des Teams war ich nicht mehr dabei, wenn wir nach dem Training zusammensassen bin ich immer sehr bald gegangen. Wir haben ein Teambuilding gemacht, bei dem nur die Spielerinnen involviert waren und ich nur von aussen beobachtet habe. Und ganz klar, die Ansprachen im Training waren gerade zu Beginn auch etwas strenger, als man es von mir gewohnt ist. Einfach um eine natürliche Distanz aufzubauen. Das hat sehr gut geklappt und mittlerweile haben wir einen guten Mittelweg gefunden.
Kritisch betrachtet könnte man sagen, dir fehlt es noch an Erfahrung. Was entgegnest du Leuten, die diese Meinung vertreten?
Kristina Ertl: Das sie nur teilweise recht haben. Ich bin kein Trainerneuling, weil ich davor schon acht Jahre mit Jugendmannschaften gearbeitet habe. Keine Frage, es ist ein grosser Unterschied zwischen «Ausbilder sein» und Trainerin bei den Aktiven. Im Umgang mit einer solchen Mannschaft habe ich zweifelsohne noch Lernbedarf. Aber durch meinen Job als Gymnasiallehrerin, die vielen Jahre mit den Junioren und meine jahrelange Erfahrung als Spielerin glaube ich diese Lücke schliessen zu können. Nicht zu vergessen sind die Personen, die mich unterstützen. Mit ihnen tausche ich mich regelmässig aus und erhalte auf diese Weise lohnenswerte Hinweise.
Du bist nicht nur die einzige Trainerin in der SPL1, sondern gleichzeitig auch die jüngste verantwortliche Person an der Seitenlinie. Nimmst du das als etwas Besonderes wahr oder geht das völlig an dir vorbei?
Kristina Ertl: Jetzt, da ich mich dazu entschlossen habe und mit ganzem Elan bei der Sache bin, spielt es für mich gar keine Rolle mehr. Bevor ich zugesagt hatte, hat es mich aber tatsächlich beschäftigt und ich habe darüber nachgedacht. Schliesslich bin ich mit 31 Jahren schon noch sehr jung und in meiner Mannschaft gibt es Spielerinnen, die älter sind als ich. Es kommt auch immer mal wieder vor, dass Aussenstehende mich fragen: «bist du dir sicher, dass du das schaffst?» oder «warum hast du kein erfahrenes Trainerteam im Rücken?», aber es ist nicht so, dass das ein Problem für mich wäre.
Was macht eine Trainerin anders, vielleicht auch besser, als ein Trainer?
Kristina Ertl: Die Kommunikation ist anders. In einer Frauenmannschaft ist es sehr wichtig viel zu kommunizieren und in Einzel- und Gruppengesprächen die Bedürfnisse auszuloten. Ich glaube, dass man als Frau hierfür ein besseres Gespür hat, wann das wirklich gebraucht wird und wann nicht. Das «können wir da nochmal drüber reden» übergehen männliche Trainer ganz gerne, was ich zu meiner aktiven Zeit aber durchaus auch als angenehm empfunden habe.
Kannst du uns ganz allgemein Merkmale deiner Arbeit nennen? Auf was legst du den Fokus, was ist dir besonders wichtig?
Kristina Ertl: Handballerisch ist mir wichtig, dass wir unser Abwehrspiel verbessern und kompakter als in der Vergangenheit stehen. Ausserdem wollen wir das 6-0-Deckungssystem um eine ernsthafte Alternative erweitern. Diese Umsetzung nimmt viel Zeit in Anspruch. Grundsätzlich ist mir hohes Tempo wichtig. Letztes Jahr haben wir langsam gespielt, das gilt es sowohl im stehenden Angriff wie auch im Gegenstoss zu verbessern, was uns teilweise auch schon gelungen ist. Menschlich lege ich grossen Wert darauf, dass wir als Einheit auftreten und mannschaftlich geschlossen wahrgenommen werden. Das Team soll als eben solches identifiziert werden. Jede Spielerin hat eine Aufgabe und ist wichtig für die Mannschaft. Wir wollen nicht auf ein bis zwei Einzelspielerinnen reduziert werden.
Du hast in Deutschland gespielt, dann in der Schweiz. Worin siehst du Unterschiede und was kann der Schweizer Handball von Deutschland lernen?
Kristina Ertl: Im Jugendbereich trainieren die Spieler in Deutschland häufiger als in der Schweiz. Ausserdem gibt es mehr Spieler, wodurch der Konkurrenzdruck aber vor allem auch die Fokussierung und das persönliche Engagement ausgeprägter sind. Beides zieht sich auch bis in den Aktivbereich weiter und bei beidem kann der Schweizer Handball noch zulegen. Ich denke man muss aber gar nicht zu viel über die Grenze schauen. Strukturen wie sie der LC Brühl hat oder auch das Ausbildungssystem, das Leimental aufbaut, sind vorbildlich. Es wäre wünschenswert, wenn diese Art der Entwicklung flächendeckend umgesetzt werden könnte. Ideal in der Schweiz sind ganz sicher die kurzen Wege. Während meiner Zeit in Deutschland kam es häufig vor, dass wir für eine Wegstrecke vier Stunden unterwegs waren.
Kreuzlingen spielt das zweite Jahr in der SPL1. Wohin geht die Reise in dieser Saison und was wollt ihr mittelfristig erreichen? Und ist ein möglicher Abstieg ein Szenario, das der Verein im Hinterkopf hat oder geht der Blick nur nach oben?
Kristina Ertl: Wir wollen diese Saison eindeutig einen sichereren Klassenerhalt schaffen als im Vorjahr. In der Auf-/Abstiegsrunde streben wir den ersten oder zweiten Platz an. Der Abstieg ist also kein Szenario mit dem wir uns beschäftigen. Mittelfristig wollen wir uns in der SPL1 nach oben orientieren, wohlwissend, dass dabei verschiedenste Faktoren eine Rolle spielen. Gleichzeitig steht bei uns aber ganz klar der Jugendbereich im Fokus. Wir wollen eine Jugendabteilung aufbauen, von der schlussendlich auch die erste Mannschaft profitieren kann.
Und wo steht die Trainerin Kristina Ertl in drei bis vier Jahren?
Kristina Ertl: Ich möchte mich weiterentwickeln, nach jedem Training und jedem Spiel und vor allem nach jeder Saison besser werden, dazulernen. Parallel dazu will ich aber auch meinen Beruf, den ich sehr liebe, weiter ausüben können. Im Moment fühle ich mich mit der Kombination als Trainerin und Lehrerin ausgezeichnet und alles Weitere zeigt die Zukunft.
La Fédération Suisse de Handball (FSH) est la fédération nationale et le centre de compétence du sport de handball en Suisse.
Elle est membre de Swiss Olympic, de la Fédération internationale (IHF) et européenne (EHF) de handball.
Fédération Suisse de Handball
,
Tannwaldstr. 2, 4600
Olten
Tel +41 31 370 70 00
-
shv-fsh@handball.ch